Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)
Sie uns vorgestellt haben.«
Rose spürte eine kaum wahrnehmbare Strömung zwischen den drei Männern. Hätte sie es nicht besser gewusst, hätte sie geglaubt, dass es ein Geheimnis zwischen den dreien gab.
Gewürzte, gekochte Kartoffeln, gebratener Flussfisch, Lamm-Papageien-Pastete und gekochter Kohl wurden verzehrt, als säßen diese beiden Männer an einer Festtafel. Ein lockerer Kuchen mit Melasse und Sahne vervollständigte das Mahl. Rose war zufrieden mit dem ersten Dinner. Sie wunderte sich ein wenig über die zuvorkommende Behandlung, die Hamish ihnen zuteilwerden ließ. Anscheinend setzte ihr Mann große Erwartungen in die Kaufleute. Immerhin hatte er sie im Klub vorgestellt, und Hamish tat nie etwas ohne Gegenleistung.
Nach dem Abendessen, als Abdul und Hamish sich zurückzogen, um geschäftliche Dinge zu besprechen, begleitete Abdullah Rose nach draußen zu einem Abendspaziergang. Daraus entstand eine allabendliche Gewohnheit. Abdullah, der acht Jahre jünger war als sein Bruder und dessen Mutter die vierte Frau seines Vaters gewesen war und nicht die erste, wie bei Abdul, war nicht so sehr an Geschäften interessiert. Gott sei Dank, dachte Rose im Stillen, weil nur so ihre abendlichen Spaziergänge möglich waren. Er fand die Arbeit im Transportunternehmen seiner Familie so schrecklich, dass er mit achtzehn Jahren seiner Mutter erklärt hatte, er würde nicht in Australien bleiben. Da er seine frühen Jahre ausschließlich in der Gesellschaft von Frauen verbracht hatte– mit den Frauen seines Vaters und ihren Töchtern, seinen Halbschwestern–, war er gerne mit Frauen zusammen, erklärte er Rose, auch wenn er noch nie Gelegenheit gehabt hatte, so viel Zeit mit einer Dame zu verbringen.
Abdullahs Anwesenheit war eine willkommene Ablenkung, und Hamish schien es nichts auszumachen, dass er mit Rose ohne Begleitung spazieren ging. So konnten Abdul und er die Themen des Tages diskutieren, ohne auf Rose Rücksicht nehmen zu müssen.
Während sie mit Abdullah langsam im Garten umherschlenderte, kam es Rose so vor, als ob ihre Spaziergänge jeden Abend ein wenig länger und ausgedehnter würden. Aber vielleicht war das auch nur Wunschdenken von ihrer Seite. Sie beobachteten den klaren Nachthimmel, sie zeigte ihm das Kreuz des Südens und die hell funkelnden Sterne, und er hörte aufmerksam zu, stellte Fragen über Wangallon und ihr Leben hier.
Zuerst redete sie nicht viel, da ihr ihre Existenz zu monoton vorkam, doch am dritten Abend fand sie kleine Vorfälle erzählenswert. Er lachte über ihre Beschreibung des chinesischen Hausierers und gratulierte ihr zur Wahl des chinesischen Fächers, der im Esszimmer hing. Die Auseinandersetzungen zwischen Lee und Mrs Cudlow über die Vorherrschaft in der Küche boten einen ganzen Abend lang Gesprächsstoff, und der Bericht über den Mord an dem Hausmädchen nahm Rose eine Last von der Seele. Auf Abdullahs Fragen nach ihrer Familie beschrieb sie ihm ihr Leben vor der Ehe. Sie erzählte ihm von Sir Malcolm, seinem schönen Geschenk und ihrem Leben in Ridge Gully.
» Und Ihre Mutter?«
» Lorna lebt in einer großen Backsteinresidenz in Ridge Gully mit meiner einzigen Tochter, Elizabeth. Sie ist dieses Jahr neun geworden.«
Abdullah zündete sich eine Zigarette an und lehnte sich an den Holzzaun. Aus den Fenstern des Haupthauses drang Licht in den Garten, und er konnte deutlich die Silhouette seines Bruders im Esszimmer erkennen. » Besuchen Sie sie regelmäßig?«
» Nein.« Rose wandte sich vom Haus ab und blickte in den Busch. » Nein, ich habe meine Tochter seit fünf Jahren nicht mehr gesehen.« Sie fragte sich, wie ihr Kind sich wohl verändert haben mochte. Waren ihre Augen immer noch so dunkelbraun? Leuchteten sie vor Neugier? Waren ihre Haare länger? Dachte Elizabeth an ihre Mama? Oder hatten Zeit und Entfernung Rose zu einer fernen Erinnerung werden lassen?
» Warum besuchen Sie sie denn nicht?«, fragte Abdullah.
Überrascht über seine direkte Frage drehte Rose sich um und begann, wieder aufs Haus zuzugehen. Wahrscheinlich klang sie in seinen Ohren nicht besonders fürsorglich oder, schlimmer noch, desinteressiert. Es wurde langsam dunkel, und sie hörte nur noch seine Schritte, sah ihn aber kaum mehr.
» Ich habe vor zwei Jahren ein Kind verloren«, begann sie. Der Schutz der Dunkelheit verlieh ihr Mut. » Matthew ist am Flussufer begraben. Ein kleiner weißer Zaun umgibt sein Grab, aber es ist auch noch genügend Platz für andere.« An der
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