Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)
Überraschung Lees und Mrs Cudlows um die Speisenfolge und schlief jede Nacht volle acht Stunden. Ihr Leben war auf einmal von den Ereignissen auf der Farm erfüllt, die ihr früher nie aufgefallen waren.
Rose warf einen verstohlenen Blick auf Abdullah. Seine langen schwarzen Wimpern lagen auf seiner gebräunten Haut, seine leicht geöffneten Lippen bebten leise unter seinen regelmäßigen Atemzügen. Fasziniert betrachtete Rose ihn einen Moment lang, dann wandte sie den Blick zu der gelben Rosentapete. Sie trug dazu bei, dass der Raum heiter wirkte. In diesem Zimmer hatte Rose vor Monaten die letzten privaten Worte an Hamish gerichtet, an dem Tag, an dem Milly ihre junge Cousine ermordet hatte. Die anderen Mitglieder des Haushalts mochten es vergessen haben, aber es hatte sich tief in Roses Erinnerung eingeprägt. Diese entsetzliche Tat erinnerte sie auf ewig daran, wie traurig das Leben war, das sie gewählt hatte. Abdullah erwachte und lächelte sie liebevoll an.
» Ich glaube, ich muss mindestens viermal um Ihren Garten herumspazieren, Mrs Gordon, damit ich in Sydney nicht meinen Schneider aufsuchen muss.«
» Nennen Sie mich Rose, Abdullah.«
» Nur unter uns«, gab er nach.
» Nur unter uns«, wiederholte sie, und ihre Blicke trafen sich kurz.
Er sprach leise, und einmal rieb er sich mit den Fingern über seine glatt rasierte Wange, um eine Fliege zu verscheuchen. Rose genoss jeden Augenblick; seine Worte, seinen Akzent, seinen Anzug, die Art, wie er seinen Kopf neigte, wenn er auf sie zutrat, seine Kleidung, die nach Moschus duftete, die Haarsträhne, die sich an seinem Nacken aus seinem Turban ringelte. Nur wenige weiße Frauen ihres Status konnten eine solche Gelegenheit genießen und sich ohne Anstandsdame an der Gesellschaft eines exotischen jungen Mannes erfreuen.
» Soll ich Ihnen etwas vorlesen?« Rose trat an den Mahagoni-Bücherschrank und wählte einen Gedichtband aus. Dann setzte sie sich wieder auf ihren Stuhl.
» Ja, das würde mich sehr freuen.« Abdullah machte eine anmutige Handbewegung.
Während sie las, ging Abdullah im Zimmer herum und betrachtete die Nippes-Figuren, die auf dem Kaminsims standen. Ihre Konzentration schwand, als er auf einmal hinter ihr stand und ihr die Hände auf die Schultern legte. Roses Atem ging schneller.
» Lesen Sie weiter, Rose.«
Seine Lippen berührten ihren Nacken in einem einzigen, außergewöhnlichen Kuss. Dann kehrte Abdullah wieder zu seinem Stuhl zurück, verschränkte die Arme und schloss die Augen.
Rose las weiter, obwohl sie schneller atmete und ihr Herz heftig klopfte. Sie merkte nicht, dass Mrs Cudlow leise die Tür schloss.
Hamish freute sich auf die nächsten fünf Jahre, denn die Abishara-Brüder hatten ihm nicht nur die Nachricht seines Erfolgs als Wolllieferant gebracht, sondern auch Hoffnung. In den letzten Monaten seit seiner Rückkehr aus Sydney hatte er im Aufruhr gelebt. Die Tage verliefen trübe und gleichförmig, unterbrochen nur von der schlechten Laune seiner Frau und der unglückseligen Geschichte mit Milly. Jetzt jedoch sah er so etwas wie eine Regenwolke im Westen, die Hoffnung verkündete.
Als Gegenleistung dafür, dass er das Transportunternehmen der Brüder mit wichtigen Kunden zusammengebracht hatte, hatte Hamish um einen Gefallen gebeten. Er war ihm gewährt worden, und jetzt lebte Claire Whittaker in Sicherheit, weit weg von den Gefahren in den Außenbezirken Sydneys. Die Tatsache, dass Hamish kaum etwas über Claire wusste, war irrelevant. Er setzte großes Vertrauen in diesen einen Moment auf der George Street. Dort, unter dem Vordach einer Metzgerei, das feine Tuch seines dunklen Anzugs mit Schlamm bespritzt, hatte er ein Mädchen mit Möglichkeiten erblickt. Sie hatten nur ein paar kurze Worte gewechselt, aber er erinnerte sich noch gut an die zärtlichen Gesten des Mädchens mit ihrem Vater und an ihr Gesicht, das so voller Lebensfreude gewesen war.
Natürlich war es ein unschickliches Vorgehen, aber eigentlich war es harmlos, dachte Hamish. Er hatte sie gesehen, sie bewundert, er war in der Lage, ihr zu helfen, und der Vater des Mädchens profitierte ebenfalls davon. Es war ein großartiges Arrangement, und die monatlichen Berichte, die er über ihre Fortschritte in ihren Studien erhielt, waren eine erfreuliche Ablenkung. Mit der Zeit jedoch dachte er so häufig an sie, dass es der vornehmen Gesellschaft sicher nicht mehr korrekt erschienen wäre.
Hamish jedoch beruhigte sein Gewissen damit, dass er einer
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