Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)
solche Menschen.« Eine einzelne Träne floss ihr über die Wange. Sie war glücklich und unglücklich zugleich, so einen Mann kennengelernt zu haben. » Soll ich meine Rasse für die Sünden weniger verurteilen?« Rose spürte, wie ihr Schweißtropfen zwischen den Brüsten herunterliefen, obwohl die Luft kühler geworden war. » Warum streiten wir überhaupt?«, flüsterte sie. » Wenn Sie doch morgen abreisen?«
» Ich habe meinen zwanzigprozentigen Anteil an der Bourke Carrying Company an Abdul verkauft. Deshalb fahre ich nach Karatschi, um dort ein neues Leben zu beginnen.« Er schluckte und wandte sich zu ihr. » Ich werde meine Cousine heiraten.«
» Ich verstehe.«
» Ich habe ein schönes Haus und zahlreiche Dienstboten, doch es ist ein Gefängnis für mich, Rose.«
» Es gibt viele Gefängnisse, Abdullah«, erwiderte Rose erschöpft. Er musste doch merken, dass sie an seiner Verlobten oder seiner Zukunft nicht interessiert war. Es blieben ihnen nur noch wenige Augenblicke; eine kurze Liebkosung, das schmerzende Versprechen eines Kusses. Rose weinte innerlich. Warum war das Schicksal gegen sie?
» Unsere Kameltreiber leben zwischen den Aufträgen in kleinen Blechhütten, in sogenannten Ghan-Dörfern, wie die Weißen sie nennen. Hier mischt sich das Blut meines Volkes mit den niedrig gestellten Weißen oder den Schwarzen aus dem Dorf. Und die Weißen halten sie für schmutzige Heiden! Mein Volk wird hier niemals wirklich willkommen sein, Rose. Ich werde niemals wirklich willkommen sein.«
» Aber warum erzählen Sie mir das?«, fragte Rose leise. Morgen würde er abreisen, und schon jetzt spürte sie die Einsamkeit. Wenn er weg war, würde sie wieder alleine sein: eine Frau ohne Liebe, eine Frau ohne seine Gesellschaft, seine sanften Worte, die Freude auf seinen Zügen, wenn sie den Raum betrat. Wie konnte sie ihm erklären, wie viel lebenswerter er ihr Leben gemacht hatte? Er hatte ihr das Gefühl gegeben, gebraucht zu werden, etwas wert zu sein. Wie sollte sie die leeren Jahre ertragen, die vor ihr lagen?
Abdullah kniete sich vor ihren Stuhl. Als Senior-Partner des Unternehmens in Karatschi würde er reich, glücklich und sicher leben. Seiner zukünftigen Frau war er zwar noch nicht begegnet, aber sie galt als schön. Er ergriff Roses schmale Hände und drehte sanft den Armreif um ihr Handgelenk. Er betrachtete ihr Seidenkleid mit der Spitze, die er selbst in Sydney gekauft hatte. » Ich erzähle Ihnen diese Dinge, weil ich Sie liebe.«
Rose keuchte. Sofort legte er seine warmen Finger über ihre Lippen, dann beugte er sich langsam vor, und ihre Lippen berührten sich eine flüchtige Sekunde lang. Der Duft nach süßem Zigarettenrauch und schwerem Wein lag in der Luft, und dann löste er sich von ihr.
Abdullah fragte sich, wie so ein zartes Geschöpf hier draußen in diesem Land, das er verachtete, überleben konnte. Ihr anmutiger Schwanenhals, die zarte Haut an ihrem Busen, die üppige Rundung ihrer Brüste. Ein Sehnen begann sich, in ihm zu regen. Ihr süßer Atem erinnerte ihn an seine Jugend, und der sanfte Druck, mit dem sie seinen Kuss erwidert hatte, zeigte ihm, dass auch sie ihm Zuneigung schenkte. Abdullah blickte in die tiefer werdenden Schatten des Gartens. Er war sich der Tatsache bewusst, dass ihr Gatte nur durch eine Mauer getrennt neben ihnen saß, dass ihre vier Söhne im Haus schliefen. Wangallon ohne sie verlassen zu müssen, bekümmerte ihn zutiefst, doch in seinen Kummer mischten sich Schuldgefühle. Nichts konnte den Makel in seinem Herzen auslöschen. Als Hamish ihn um den Gefallen gebeten hatte, hatte er Rose noch nicht gekannt, aber die bittere Wahrheit seines Betrugs konnte nicht ungeschehen gemacht werden.
Rose wartete darauf, dass er sie noch einmal küsste. Sie wollte seine Wärme spüren, ihr Blut rauschen hören. Seine Hand umfasste ihren Hinterkopf mit einer solchen Zärtlichkeit, dass sie glaubte, in Ohnmacht fallen zu müssen. Morgen früh reiste er ab, und sie würde ihn nie wieder sehen. Ein Kuss. Noch ein einziger Kuss, so flehte sie im Stillen und stellte sich sein dunkles Gesicht neben ihrem vor, stellte sich vor, wie seine dunklen Wimpern ihre Wangen streiften. Aber er rührte sich nicht, und sie betete insgeheim, er möge ihre Sehnsucht spüren. » Abdullah, warum sagen Sie, dass Sie mich lieben?« Bewegungslos kniete er auf der Veranda, am Rand ihrer Welt. Ihre verzweifelte Sehnsucht verwandelte sich in schwächer werdende Hoffnung.
» Ich sage diese Dinge
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