Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)
Seite gerutscht war, wieder richtig hin.
» Ich kann nur hoffen, dass der Weg, den mein Bruder und Mr Hamish einschlagen, korrekt ist, denn ich möchte nicht wegen schlechten Geschäftssinns verhungern.«
» Einverstanden, Bruder«, erwiderte Abdul gutmütig. » Wie immer ist er der Diplomat. Und unser Verlust, wenn du gehst, ist sicher der Gewinn der Leute in Karatschi.«
» Sie verlassen uns?« Rose drehte die Serviette zwischen den Fingern und blickte Abdul an. » Sie gehen aus New South Wales weg?« Ängstlich suchte sie Abduls Blick.
Hamish hustete. » Herzlichen Glückwunsch, Abdullah. Abdul hat mich darüber informiert, dass Sie das Geschäft in Karatschi übernehmen. Und, Rose, meine Liebe, er wird heiraten. Sind das nicht wundervolle Neuigkeiten?«
» Wundervoll«, erwiderte Rose leise.
Hamish schenkte sich noch ein Glas Wein ein. Rose schnürte es die Kehle zu, und sie bekam kaum noch Luft.
» Ja, er wird für unser Unternehmen in Karatschi eine Bereicherung sein.« Abdul prostete seinem Bruder zu. » Auf dich, Bruder.«
» Auf Abdullah«, sagte Hamish.
Hamish nickte in Roses Richtung. Er hielt sein Glas hoch und lächelte. Auch Rose zwang sich zu einem Lächeln. Ob Hamish wohl etwas von ihren Gefühlen wusste?
» Ich überlasse Sie jetzt Ihren Zigarren und Ihrem Portwein, meine Herren.« Rose erhob sich und legte ihre Serviette neben den Teller. Sie mied Abdullahs Blick und ging langsam hinaus auf die Veranda.
Draußen stützte sie sich mit den Händen auf dem kühlen Holzgeländer ab. Sie weinte selten; seit Hamish ihr damals erklärt hatte, Sir Malcolms Geschenk sei gestohlen worden, hatte sie nicht mehr geweint. Ihr Trost war Bitterkeit; Neid und Verlust, wenn sie an ihre Tochter dachte; Abscheu, wenn sie an die schwarzen Geliebten ihres Mannes dachte. Die leise Traurigkeit in ihr umfing ihre toten Söhne und die wenigen, kleinen Erinnerungen, die ihr lieb waren. Nur so konnte sie dieses Leben ertragen. Warum war sie dann so überrascht, dass dieser Mann aus einer anderen Welt nicht in New South Wales bleiben würde? Was hatte sie erwartet?
» Ich fürchte, Ihr Gatte weiß es«, sagte Abdullah leise, als er zu ihr trat.
Rose wandte sich ihm zu. Ihr Herz schmerzte, wenn sie daran dachte, was sie hätte haben können. » Sie hätten mich nicht küssen dürfen. Es hat alles verändert.«
» Ja«, antwortete er. » Deshalb möchte ich Sie auch jetzt gerne küssen.« Er ergriff ihre Hände.
Rose schaute sich ängstlich um.
» Sie streiten über die Zukunft der Wollpreise.« Er umfasste ihr Gesicht mit seinen starken Händen. » Rose, ich muss Sie küssen.«
Wenn sie später an diesen Moment dachte, konnte Rose nicht mehr sagen, wer den ersten Schritt getan hatte. Er umschlang ihren Körper mit seinen starken Armen und zog sie an seine breite Brust.
Seine Kleidung duftete nach unbekannten Kräutern, und der Geschmack von Wein mischte sich mit der Süße von Melasse. Seine Lippen sanken auf ihre, und Rose stockte der Atem. Ihre Beine gaben nach, und er trug sie von der Veranda zu einer Baumgruppe im Garten. Dort setzte er sie ab. Lange standen sie eng aneinandergeschmiegt da. Rose drückte die Wange an seine Brust und schloss die Augen. Sie spürte seinen Herzschlag. Er streichelte ihre Haare und ließ sie schließlich nur widerstrebend los.
» Ich möchte nicht, dass Sie traurig sind, Rose.«
Rose erlaubte ihm, ihren Arm zu nehmen, und dann spazierten sie wie immer um den Garten herum. In der Ferne blökten Schafe, ein Pferd wieherte, und durch das Gras huschten kleine Tiere.
» Die Einsamkeit macht uns traurig«, erwiderte sie. Der Traum der letzten beiden Wochen zerbrach unabwendbar, als sie Arm in Arm die Stufen zur Veranda hinaufgingen. Wenn Abdullah erst einmal weg war, würde das Leben mit der regelmäßigen Monotonie weitergehen, die sie schon seit Jahren ertrug. Sie würde bei Sonnenaufgang aufstehen, die Pflichten ihres Tages hinter sich bringen und mit den letzten Sonnenstrahlen wieder zu Bett gehen.
» Ich hoffe, mein Weggehen macht Sie nicht traurig, denn dafür möchte ich nicht verantwortlich sein.«
» Sie bitten mich, nicht traurig zu sein, Abdullah?« Sie ließ sich schwer auf einen der Stühle aus Packkisten sinken. Sorgfältig glättete sie ihren Rock. » Ich habe während Ihres Aufenthalts nie über den Tag hinaus gedacht. Ich habe nur die Süße jedes einzelnen gemeinsamen Moments genossen.«
» Die Schuld liegt bei mir.« Seine Stimme war leise, sehnsüchtig. »
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