Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)
ihm und dem Sitzbrett des Karrens, zurecht und schnalzte mit den Zügeln. Die Pferde setzten sich langsam in Bewegung. Sofort spürte er, wie er erneut durchgerüttelt wurde. In drei Stunden würde er die Poststation erreichen, und in vier Stunden hätte er etwas gegessen und ein oder zwei Rum mit Wasser getrunken. Er schlug nach den Fliegen, die über seine Hände und sein Gesicht krochen, blickte über seine Schulter auf den leeren Weg und lehnte sich geduldig für den ersten Abschnitt seiner langen Reise zurück.
Wenn er in Sydney ankommen würde, dachte Abdullah, würde er Mrs Cole einen letzten Besuch abstatten. Er würde einen weiteren Bericht über die Fortschritte des Mädchens schreiben, als sanfte Erinnerung für ihren Wohltäter, dass er immer noch da war. Hamish Gordon musste daran erinnert werden, dass er, Abdullah Abishari, im Moment noch die Fäden in der Hand hielt. Er brauchte bloß die Zeitungen über einen möglichen Skandal zu informieren, und Miss Whittaker und ihr heimlicher Wohltäter wären nicht mehr anonym. Und er brauchte bloß ein Telegramm an Rose zu schicken, und sie hätte einen Beweis für die Untreue ihres Gatten. Erfreut über diese plötzliche Wendung der Ereignisse lächelte Abdullah. Wissen war etwas Wunderbares, und Karatschi war weit entfernt von Wangallon Station und Hamish Gordon.
Herbst, 1987
Goldküste, Queensland
Ronald lächelte. Es war ein sanftes, warmes Lächeln voller Liebe. » Jeremy hat angerufen, während du heute Morgen am Strand warst, Sarah. Er ist auf dem Weg hierher. Er hat für das Wochenende ein Apartment am Hauptstrand gebucht. Hier…«, er reichte ihr einen Zettel, den er aus einem Notizblock gerissen hatte, » …das ist die Adresse.«
» Woher wusste er überhaupt, wo ich bin?«, fragte Sarah.
» Du hast ihn angerufen und ihm eine Nachricht hinterlassen, dass du im The Overlander übernachten würdest. Und anscheinend hat die Frau an der Rezeption ihm gesagt, dass sie ein Busticket für dich gebucht hat.«
» Oh.«
» Wollt ihr beiden heute Abend nicht zum Essen kommen?«
Am späten Nachmittag, nachdem sie einen wundervollen Tag am Strand und mit einem Stadtbummel verbracht hatten, fuhren sie zu einem kleinen Park, der am Wasser lag. Im Schutz einer Bougainvillea-Hecke breitete Jeremy eine Decke auf dem frisch gemähten Rasen aus. Als sie saßen, legte er eine weitere Decke über ihre Beine, holte Räucherlachs, Pastete und Champagner aus einer Kühltasche und zündete eine Kerze in einem Windlicht an.
» Wann hast du das denn alles vorbereitet?«, fragte Sarah.
» Die Frau am Empfang in der Lobby hat mir ausgeholfen. Bevor du etwas sagst«, begann er, » ich möchte mich für die jüngsten Vorkommnisse entschuldigen. Du hast eine Menge durchgemacht, Sarah.«
» Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Du hast ja recht mit dem, was du in Sydney gesagt hast. Du hast dich immer um mich bemüht und mir durch eine wirklich schwere Zeit geholfen, als ich sonst niemanden hatte.«
Jeremy legte ihr den Arm um die Schultern. » Manchmal glaube ich, wenn wir zwei alleine wären, hätten wir keine Probleme.«
» Ich weiß.«
» Ich habe wirklich nicht mit Julie geschlafen. Wir haben gearbeitet.«
Na ja, dachte Sarah, sie durfte sich sowieso kein Urteil über andere Menschen anmaßen. » Ich habe wahrscheinlich voreilig die falschen Schlüsse gezogen.«
» Nun, ich kann dir sicher keinen Vorwurf daraus machen, dass du wütend auf mich warst. Von deinem Standpunkt aus war es ja auch nicht so ganz passend.« Er schenkte ihr ein Glas Wein ein. » Wir müssen einander eben vertrauen.«
Sarah dachte an die Küsse mit Anthony, zwei in zwei Tagen. Sie leerte ihr Glas auf einen Zug.
» Alles okay?«, fragte Jeremy.
» Ja, klar, ich habe nur nachgedacht«, erwiderte Sarah.
» Nur über gute Dinge hoffentlich.«
» Ich komme mir vor, als würde ich von allen manipuliert. Von Anthony, von Großvater, sogar von meinem Dad. Alle haben sie das Gefühl, mir sagen zu müssen, was ich tun soll.«
Jeremy zog sie an sich. » Sie lieben dich eben alle, Sarah.«
» Ja, wahrscheinlich hast du recht.«
» Weißt du, zwischen uns wurde es schwieriger, als du wieder regelmäßiger nach Wangallon gefahren bist.«
» Ich weiß, aber ich bin auch hin- und hergerissen zwischen meinem Leben in Sydney und dem Druck, die einzige Gordon zu sein, die erben kann.«
Jeremy drückte sie fester an sich.
» Mir wird erst jetzt klar, wie viel ich dir bedeuten muss, weil du
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