Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)
Ich habe mir erlaubt, mich von Ihnen bezaubern zu lassen. Vielleicht, wenn wir nicht so viel Zeit miteinander verbracht hätten, Rose…«
» Vielleicht.« Aber sie wusste es besser. Sie empfand nicht schnell Leidenschaft. Zwischen ihnen war eine tiefe Verbindung.
» Ich weiß noch, dass zu Beginn meines Aufenthalts hier die Worte geradezu aus Ihrem Mund stürzten; mit der Zeit jedoch sprachen Sie langsamer, bis wir einfach schweigend beieinandersitzen und doch reden konnten.«
» Ja«, stimmte Rose ihm zu. » Es war schön.«
» Sehr schön.« Abdullah ergriff sanft ihre Hand. Unter ihrem Blick kam er sich vor wie ein kleiner Junge, der ein kostbares Geschenk vor sich hat. » Ein Geschenk der Freundschaft, denn morgen reise ich ab.«
Aus seiner Jackentasche zog Abdullah einen goldenen Armreif. Er schob das gehämmerte Metall über Roses Handgelenk und trat dann ein paar Schritte zurück.
Rose betastete den Armreif vorsichtig und fuhr mit Zeigefinger und Daumen darüber. » Morgen schon?« Es war albern, aber sie musste unwillkürlich daran denken, dass er jetzt das moosgrüne Seidenkleid nie mehr an ihr sehen würde. » Ich dachte, Sie bleiben noch ein paar Wochen.« Die Hausmädchen kicherten leise im Anbau hinter der Küche. Der Wind trug ihre Stimmen herüber. In der Küche redete Mrs Cudlow in ärgerlichem Tonfall, wurde jedoch von Lees erregter Stimme übertönt.
» In vier Tagen kommt die Kamelkarawane, und dann reist Abdul ab. Ihre Wolllieferung, die größte in New South Wales, wird von Sydney aus nach London verschifft werden.«
Rose schüttelte den Kopf. » Das weiß ich doch alles, Abdullah. Ich dachte nur, dass, nun ja…« Sie blickte auf ihre leeren Hände.
» Ihr Gatte weiß, dass zwischen uns etwas ist. Beim Dinner heute Abend… seine Reaktionen, nun, er weiß es. Ich möchte keine unnötigen Probleme verursachen.«
Dann hättest du mich nicht küssen dürfen, dachte Rose.
» Es ist das Beste, wenn ich abreise.«
» Für wen das Beste?« Sie konnte sich die Frage nicht verkneifen.
» Ich hasse Australien, Rose, und die Weißen, die dieses Land besiedeln und es zu ihrem erklären. Sie haben nicht mehr Anspruch auf dieses Land als die Chinesen oder Afghanen. Alle haben nach einem neuen Anfang gesucht, nach einer Gelegenheit, um Geld zu verdienen, warum also haben gerade die Weißen Anspruch auf ein Land erhoben, das allen gehörte? Es war doch nur eine Sträflingskolonie.«
» Das kann ich Ihnen nicht beantworten.« Sie hätte ihm gerne gesagt, dass ihr diese Dinge gleichgültig waren.
» Das erwarte ich auch gar nicht von Ihnen. Nur wenige sind wie Sie, Rose, doch in einer Stadt wie Sydney zum Beispiel würden Sie mich keines Blickes würdigen, wenn Sie mir auf der Straße begegneten. Ich bin doch nur ein schmutziger Afghane.«
» Abdullah!«
» Wenn Sie sich nicht so einsam fühlen würden, wenn Ihr Gatte Sie nicht so allein lassen würde…«
» Abdullah«, flüsterte Rose, » warum suchen Sie nach Ausflüchten für meine Gefühle Ihnen gegenüber?« Das Herz schlug ihr bis zum Hals.
» Damit Sie die reale Welt sehen. In Zukunft wird es zahlreiche Schlachten geben, Rose, zwischen Weißen und Schwarzen, Chinesen und Afghanen. Sie finden jetzt bereits statt, aber nur wenige hören davon. Jetzt schon gibt es Vorbehalte gegen uns. Sie stellen uns ein, unser Transportunternehmen. Unsere Kamele können viele Tage lang ohne Wasser oder einen Ruhetag marschieren. Sie ernähren sich von Melde und Farnen. Und doch beschweren sich Ihre Ochsentreiber, dass wir ihnen die Arbeit wegnähmen. Männer werden geschickt, unsere Karawanen zu überfallen, die Kameltreiber zu töten und unsere Geschäfte zu ruinieren. Und nicht nur wir verlieren dabei letztendlich, sondern auch Ihre Leute, die zu ignorant sind, das zu begreifen. Dann gibt es Männer wie Ihren Gatten, bedeutende, geachtete Persönlichkeiten, die…« Abdullah brach mitten im Satz ab und setzte sich auf den Stuhl neben ihr. » Verzeihen Sie mir. Ich sollte nicht so zu Ihnen sprechen.« Dass sie sich gegenseitig so anzogen, war unbeabsichtigt gewesen, und es war eine unmögliche Sache. » Ich bin nicht glücklich in diesem Land.«
» Haben Sie gestohlen, betrogen oder getötet, um in die Position zu gelangen, in der Sie sich heute befinden? Ich glaube, Abdullah, das sind die Fragen, die Sie mir stellen. Ich verstehe Ihren Zorn. Einige von uns Weißen, wie Sie uns nennen, sind so, aber ich denke, in allen Rassen auf der Welt gibt es
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