Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)
Hemd spannte.
» Ignorier sie einfach, Corker«, riet Anthony ihm. » Die Typen wissen sowieso nicht, was gutes Essen ist.« Es war so leicht, den Koch auf die Palme zu bringen. Der Koch schenkte ihm ein schwaches Lächeln. Der kleine Zwischenfall hatte seinen Zweck erfüllt. Die Stimmung war locker, als die Männer aufstanden und sich langsam wieder an die Arbeit machten.
Sarah saß auf einem Wollballen etwas abseits von den Männern. Mit beiden Händen hielt sie ihren Blechbecher umklammert. Corker freute sich, dass sie wenigstens eins von seinen Eier-Sandwiches gegessen hatte. So besonders gut hatte sie an ihrem ersten Tag zurück auf Wangallon nicht ausgesehen.
» Anthony, kann ich dich in der Mittagspause sprechen?«
» Klar, Sarah. Ich komme ins Haus.«
Sarah saß am Küchentisch, erschöpft von einem langen Morgen am Wolltisch, als der Toyota vorfuhr. Zum Glück wollte ihr Vater morgen Abend kommen, nachdem er Angus im Krankenhaus besucht hatte. Sie freute sich, ihn zu sehen.
» Wie geht es?« Anthony betrat die Küche, als ob er schon sein ganzes Leben lang hier gewohnt hätte. Er öffnete einen Schrank und nahm ein großes Glas heraus. Nachdem er sich Wasser eingeschenkt hatte, setzte er sich ebenfalls an den Tisch. » Gibt es was zu essen?«
Sarah schob ihm die Hälfte ihres Corned-Beef-Sandwiches zu, und sie aßen schweigend. Seit drei Tagen wartete sie darauf, dass er etwas zu ihrer Arbeit sagte, aber er hatte kaum Interesse daran gezeigt. Es war verdammt schwierig, die Felle richtig einzuordnen und zu klassifizieren. Natürlich war Pete dabei, aber sie fühlte sich trotzdem unsicher.
» Ist alles in Ordnung?«, fragte Anthony gutmütig.
» Diese Schur scheint dir nicht besonders wichtig zu sein«, erwiderte sie. » Sonst würdest du mich doch genauer beobachten. Schließlich bin ich nicht qualifiziert für diese Arbeit. Ich besitze kein Zertifikat in Woll-Klassifizierung.«
» Ich wusste gar nicht, dass du so gerne Corned Beef isst. Schmeckt aber gut.« Anthony aß den letzten Bissen seines Sandwiches.
» Es dauert Jahre, bis man seine Herde kennt. Mit einer Schafzucht muss man aufgewachsen sein. Wenn die Ballen nicht von gleichbleibender Qualität sind, wie sollen wir dann einen guten Preis erzielen?«
Anthony schenkte sich ein weiteres Glas Wasser ein, trank durstig und blickte auf die Uhr an der Wand. Sie hatten nur eine Stunde Mittagspause, und die Frau hatte nichts Besseres zu tun, als ihre Fähigkeiten klein zu machen und ihn zu verärgern.
» Du bist doch auf dieser Farm aufgewachsen, Sarah. Du bist schließlich eine Gordon, und die Gordons sind doch von Anfang an schon hier. Ich kann mir niemand Besseren im Wollschuppen vorstellen. Also, hör auf zu jammern und übernimm Verantwortung für deine Aufgaben.«
Sarah öffnete den Mund.
» Und da ich gehen werde, musst du dich sowieso an die alltäglichen Pflichten gewöhnen. Du musst Autorität ausstrahlen, damit der neue Verwalter dich ernst nimmt. Die Männer müssen wissen, dass du nicht nur eine würdige Nachfolgerin, sondern auch ein hart arbeitendes Mitglied des Teams bist.«
Sie wartete darauf, dass Wut in ihr aufstieg, aber das Gegenteil trat ein. Sie aß ihr Sandwich auf, räumte die Teller ab und sagte Anthony, sie würde pünktlich wieder in den Schuppen kommen. Als er gegangen war, dachte sie über seine Worte nach. Anscheinend setzte er großes Vertrauen in sie. Aber er ging. Bei dem Gedanken daran brach sie in Tränen aus.
Sommer, 1868
Wangallon Station
Durch das Kutschenfenster blickte sie auf wogendes Gras. Hier und dort verdeckten kleine Baumgruppen die Sicht. Flirrende Hitze lag über dem Land, und Claire tupfte sich unablässig den Schweiß ab. Sie lehnte sich auf dem abgewetzten Lederpolster zurück. Vor zwei Tagen hatte es noch geregnet, und deshalb hatte sich die Kutsche verspätet. Statt wie geplant in der relativen Kühle des Vormittags anzukommen, würde sie erschöpft und verschwitzt auf Wangallon erscheinen. Und wenn der erste Eindruck eine Rolle spielte, so glaubte sie kaum, dass sie auch nur einen Funken Interesse wecken würde. Plötzlich kam die Kutsche rumpelnd zum Stehen. Claire blickte auf ein großes Farmgebäude.
Das lange, weiß verputzte Haus war niedrig, mit einer großen Veranda. Drei breite Stufen führten auf das Holzdeck, auf dem Tische und Stühle verteilt waren. Auf einem runden Tisch standen einladend ein Porzellankrug und Gläser, und Claire konnte die kühle Flüssigkeit beinahe
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