Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)
noch nicht ernsthaft genug darüber nachgedacht, ob sie mit Jeremy zusammenleben wollte.
Die Aufnahmen am Samstag, Porträtaufnahmen für einen jungen Schauspieler, waren innerhalb von zwei Stunden beendet, und mittags war Sarah wieder in ihrer Wohnung. Es war ein wunderschöner Tag, und sie hielt es für eine großartige Idee, in den Zug zu steigen, um nach Katoomba zu Jeremy zu fahren. Ungeduldig trommelte sie mit den Fingern auf die Küchentheke und blickte auf die Uhr, die über dem Küchenschrank hing. Es war kurz nach eins. Wenn sie jetzt duschte, rasch ein paar Sachen packte und ein Taxi zum Bahnhof nahm, würde sie wahrscheinlich am späten Nachmittag dort eintreffen. Sie wählte die Nummer auf dem Prospekt, den Jeremy am Abend zuvor liegen gelassen hatte.
» Blue Gum Cottage.«
» Ich möchte bitte mit Jeremy Barbett sprechen.«
» Sie sind heute Nachmittag unterwegs, meine Liebe.«
» Sie?«, fragte Sarah.
» Ja. Allerdings sollten sie bis zum Abendessen wohl wieder zurück sein. Möchten Sie eine Nachricht hinterlassen?«
Sarahs Magen zog sich nervös zusammen. » Nein. Ist schon okay. Danke«, erwiderte sie so höflich sie konnte und legte auf. Mit wem war Jeremy bloß da? Sie betrachtete den Prospekt und las die Beschreibung sorgfältig.
Ein entzückendes Bed&Breakfast in einem ruhigen Garten. Perfekt für Paare, die ein romantisches Wochenende verbringen wollen oder auch mitten in der Woche Erholung suchen. Unser großes Doppelzimmer mit Bad bietet vollkommene Privatsphäre …
Sarah dachte an den Geschäftstermin vom Abend zuvor, an Julie Miller, die mal wieder alles tat, was in ihrer Macht stand, um Jeremy geschäftlich zu unterstützen. Und sie brach in Tränen aus.
Teil III
Winter, 1867
Paddington, Sydney
Voll Stolz betrachtete Claire Whittaker ihre neuen taubengrauen Handschuhe und trieb die beiden gescheckten Stuten mit einem kurzen Schlag ihrer Reitgerte an. Die Pferde liefen schneller, und die Holzräder der offenen Kutsche holperten über die staubige Straße. Der Schweiß lief ihr über den Rücken, und sie fuhr sich durch die Haare. Sie warf einen Blick auf das Federvieh, das in einer Holzkiste hinter ihr auf der Ablage stand. Es hatte sie einiges an Verhandlungsgeschick gekostet, das Essen für heute Abend zu erhalten. Würstchen wären wahrscheinlich eine bescheidenere Wahl gewesen, und ihr Lieblingsmetzger hätte sie sicher gerettet, wenn ihr hartnäckiges Feilschen nichts genützt hätte.
Einige Kutschen fuhren an ihr vorbei. Zwei kleine Zweispänner und eine größere lackschwarze Reisekutsche waren bepackt mit Koffern, Paketen und großen Posttaschen. Drinnen saß ein weiblicher Passagier und drückte sich ein weißes Taschentuch an die Nase. Claire lächelte dem Kutscher zu, der fluchte und seine große Kutsche sicher an einem Kohlekarren und einem Wagen, der Holz hinter sich herzog, vorbeimanövrierte. Sie lenkte die Pferde in eine Seitenstraße.
Sofort lagen der Lärm und das Getriebe der Hauptstraße hinter ihr, und ihre Pferde trotteten ruhig den von Bäumen gesäumten Weg entlang. Claire fuhr an einem Kind, einem streunenden Hund und einem dunkelhäutigen Mann mit weißem Turban vorbei. Nach dieser letzten Gestalt blickte sie sich um. Er saß in einer offenen Kutsche, gekleidet in einen grauen Anzug, in Begleitung eines stämmigen Kutschers ähnlicher Herkunft. Der ungewöhnliche Anblick erregte ihre Aufmerksamkeit. Schließlich hielt sie vor einem kleinen Reihenhaus aus Holz. Sie band die Pferde fest, hob den beigefarbenen Wollstoff ihres Rocks, ergriff ihren Weidenkorb und sprang aus der Kutsche. Der Mann mit dem Turban war mittlerweile verschwunden. Die Haushälterin, Mrs Cole, jedoch stand schon in der Haustür und runzelte die Stirn.
» Wo sind Sie gewesen, Miss Whittaker? Ihr Vater hat in der letzten Stunde ständig nach Ihnen verlangt.«
Claire warf Mrs Cole einen beruhigenden Blick zu und verriegelte das kleine Tor hinter sich wieder. Seitdem sich kürzlich ihre Lebensumstände geändert hatten, war ihr Vater fordernder und inaktiver geworden, als ob er sich nutzlos fühlen würde, wenn er sich nicht ständig Gedanken um Geld und Essen machen musste. » Es tut mir leid, Mrs Cole, aber ich habe noch frische Zitronen und Orangen auf dem Markt gekauft, und es gibt Ente zum Abendessen.«
» Ente, du liebe Güte!« Die Frau rieb sich erwartungsvoll die Hände.
» Sie wissen doch, wie man sie zubereitet, Mrs Cole?« Sie hoffte inständig, dass Mrs Cole das
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