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Weites Land der Träume

Titel: Weites Land der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCoullagh Rennie
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sich die Nase geputzt hatte, rutschte sie von seinem Knie.
    Tante Bea hatte schreckliches Mitleid mit dem kleinen Mädchen. »Komm, jetzt waschen wir uns erst mal das Gesicht, und dann macht ihr euch für die Schule fertig«, verkündete sie fröhlich und nahm die beiden Kinder bei den Händen.
    Alice sah zwischen ihrer Tante und ihrem Vater hin und her. »Wir schaffen das schon, Dad«, sagte sie tonlos. Doch der Schmerz in ihrer Brust blieb, und sie empfand nichts außer einer gewaltigen, endlosen Leere.
    Bedrückt und die Augen noch vom Weinen verschwollen, trottete Alice mit Ben und ihren Cousins die Hauptstraße von Billabrin entlang. Die Erinnerung an den feindseligen Empfang, den die anderen Schüler ihnen gestern bereitet hatten, verstärkte ihre Niedergeschlagenheit. Neu zu sein, war zwar immer schwierig, aber wie schwierig hätte sie sich in ihren kühnsten Träumen nie ausgemalt. Das kleine Mädchen, das ihr tags zuvor etwas zugeflüstert hatte, vertraute ihr schließlich heimlich draußen auf der Toilette an, Neue litten angeblich an einer schrecklichen Krankheit, von der einem die Haare ausfielen, wenn man sie anfasste, bevor sie nicht einen Monat lang an der Schule gewesen seien. Da sich gegen solche Vorurteile nicht viel ausrichten ließ, beschloss Alice, den Kopf hochzuhalten und sich ausschließlich mit dem Lehrstoff zu befassen. Ben hingegen brach in Tränen aus, sodass sie einige Minuten brauchte, um ihn wieder zu beruhigen. Inzwischen hatte die Lehrerin bereits jemanden geschickt, der sie suchen sollte. Alice drückte sich hinter Ben ins Klassenzimmer und wagte nicht aufzublicken.
    Auch in den nächsten Tagen besserte sich die Situation nicht. Alice erfuhr, dass sich die »Krankheit« nur heilen ließe, indem man offiziell anerkannt wurde, und diese Anerkennung konnte nur von einem einzigen Menschen ausgesprochen werden – und das war Grunz, der eigentlich Damien Grant hieß und der älteste Junge in der Schule war. Wegen seiner Körpergröße hatte Alice panische Angst vor ihm. Sein Spitzname, den man ihm, als er selbst ein Neuer gewesen war, wegen seines geräuschvollen Atmens verabreicht hatte, wurde inzwischen nicht mehr hänselnd, sondern ehrfürchtig ausgesprochen. Grunz hatte sich selbst zum offiziellen Anerkenner von neuen Mitschülern ernannt, da er wusste, dass er den anderen Kindern körperlich überlegen war und niemand es wagte, sich gegen ihn aufzulehnen. Wie alle Schulhoftyrannen verfügte er über eine Gefolgschaft und hatte sich zwei Jungen als Vollstrecker ausgesucht. Der eine hieß Duncan Mitchell, Spitzname Dunk, von ähnlichem Körperbau, jedoch etwas kleiner, der andere war Andrew Phillips, jünger und magerer, mit dem unschönen Spitznamen Flos, den er einer Schulaufführung verdankte, bei der er einmal eine Fee gespielt hatte. Am nächsten Dienstag tat Alice etwas sehr Leichtsinniges. Sie saß mit Ben unter einem Eukalyptus, verspeiste friedlich ihr Pausenbrot und beobachtete eine Ameise, die im Sonnenlicht ein Stöckchen entlangkroch. Dabei dachte sie an das Picknick, das ihr Vater ihnen versprochen hatte. Neben ihnen verhandelten Don und Dan, beobachtet von Buddy, über Fußball-Tauschkarten. Kurz zuvor hatte Dan Ben eine seiner kostbaren Karten geschenkt, die dieser in seiner Butterbrotdose versteckt hatte.
    »Allmählich wird es besser«, sagte sich Alice, als plötzlich ein Schatten auf die Ameise fiel. Sie blickte auf und sah Damien Grant, der, die Arme verschränkt und die Beine in den Boden gestemmt, über ihren Cousins aufragte.
    »Euer Cousin ist eine Heulsuse«, brüllte Grunz. Alice erstarrte. Als sie sah, dass er mit dem Kopf in ihre Richtung wies, kauerte sie sich zusammen und schlang beschützend den Arm um Ben. Gebannt sah sie zu, wie die kleine Leder-lasche an Grunz’ Schuh auf und ab wippte, als er ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden klopfte und seinen spärlichen Vorrat an Fußballkarten durch die Hände gleiten ließ. Don riss ängstlich die Augen auf. Buddy ergriff sofort die Flucht.
    »Du kannst die hier haben, wenn du willst«, meinte Don bemüht tapfer.
    »Und die auch«, keuchte Dan. Hastig zog er seine beste Karte aus dem Stapel und hielt sie dem Schulhoftyrannen hin. Wut stieg in Alice hoch, als Grunz mit einem triumphierenden Grinsen nach der Karte griff, wobei die anderen in den Staub fielen.
    »Ich verbiete euch, in Zukunft mit der Heulsuse zu sprechen!«, stieß er hervor und hielt sein Gesicht ganz dicht an das von Don. »Hier.« Er warf

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