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Weites Land der Träume

Titel: Weites Land der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCoullagh Rennie
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kehrte Alice den Rücken zu. Buddy hockte mit den Zwillingen im Schneidersitz auf dem Boden, und die drei tuschelten mit gesenkten Köpfen miteinander. Dann stellte die Lehrerin Alice und Ben vor. Alice scharrte verlegen mit den Füßen, während alle bis auf Katie die Neuankömmlinge musterten. Ihr Griff um Bens Hand wurde unwillkürlich fester, als sie die feindseligen Blicke bemerkte, und sie zog ihren Bruder enger an sich. Sie starrte in das Meer von Gesichtern und wünschte, wenigstens einer ihrer Cousins wäre ein bisschen freundlicher gewesen.
    Einer der Schüler fiel ihr besonders auf. Er war einen Kopf größer als die anderen und sonnengebräunt und hatte breite kräftige Schultern, die sein fadenscheiniges Hemd zu sprengen drohten. Seine winzigen Schweinsäuglein, die fast in den schweißglänzenden Pausbacken versanken, waren sein herausragendstes Merkmal und erinnerten Alice an rot glühende Stecknadelköpfe. Als sie sich auf ihren Platz setzte, spürte sie, wie sie ihr förmlich Löcher in den Rücken brannten. Nachdem sie und Ben sich zwischen zwei etwa gleichaltrige Kinder gezwängt hatten, begann der Unterricht. Doch Alice musste ständig an den Augenausdruck des Jungen denken, und bei der nächsten Gelegenheit fragte sie das Mädchen, das neben ihr saß, nach seinem Namen.
    »Grunz«, antwortete sie. »Der Name passt.« Mit diesen Worten schlug sie die Hand vor den Mund, um ein Kichern zu unterdrücken.
    Als Alice später in der Pause versuchte, mehr herauszufinden, ergriff das Mädchen mit angsterfülltem Blick die Flucht. Ihre Cousins waren nirgendwo zu sehen, und auch sonst sprach niemand mit den Neuen. Also saßen Alice und Ben allein auf dem Schulhof und verspeisten ihre Brote. Sie wünschte, der Tag möge endlich vorüber sein.
    Nach dem Unterricht überquerte sie erleichtert den Schulhof und eilte die Hauptstraße von Billabrin entlang. Katie gegenüber, die wie durch ein Wunder aufgetaucht war und den ganzen dreißigminütigen Fußmarsch fröhlich mit ihr plauderte, ließ sie sich ihre Niedergeschlagenheit nicht anmerken. Wohlbehalten in Beas Küche angekommen, sah Alice zu, wie die Kätzchen ihre Milch schleckten, und genoss das liebevolle Lächeln ihrer Tante. Als sie Tante Bea mit ihrem Vater sprechen sah, glaubte sie fast, dass ihre Beklommenheit nur auf Einbildung beruhte. Doch da kam Onkel Ray herein. Obwohl sie erst seit zwei Tagen hier waren, wäre Alice am liebsten auf ihren Vater zugestürmt und hätte ihm von ihrem schrecklichen Tag erzählt und ihn angefleht, in ein eigenes Haus zu ziehen. Aber das ging nicht, weil sie ein Kätzchen in der Hand hatte, weil ihre Tante lächelte und weil es so unhöflich und undankbar geklungen hätte.
    Am dritten Tag war Alice beim Aufwachen fest entschlossen zu glauben, dass das Zusammenleben mit ihrer neuen Familie schon klappen würde. Energisch schob sie ihre Vorbehalte gegen die Schule beiseite und erinnerte sich an den Rat ihrer Mutter, dass man sich eben Zeit lassen müsse, sich an Unbekanntes zu gewöhnen. Dann jedoch erwähnte ihr Vater beiläufig beim Frühstück, er werde bald fortgehen, um Arbeit zu suchen. Alice fühlte sich wie nach einem Schlag in die Magengrube. Sie hatte immer noch mit dem Tod ihrer Mutter zu kämpfen, und nun verkündete ihr Vater aus heiterem Himmel, er wolle sie ebenfalls verlassen. Entgeistert starrte sie ihn an.
    »Mach nicht so ein Gesicht, Prinzessin. Als deine Mum noch lebte, war ich auch viel unterwegs. Schließlich können wir nicht ewig auf Kosten deiner Tante leben.«
    »Aber, Daddy, du hast es doch versprochen. Du kannst uns jetzt nicht allein lassen, nicht hier und nicht jetzt.« Alices Gesicht verzerrte sich zu einem Weinen, und sie fühlte sich, als würde ihre ganze Welt plötzlich zusammenbrechen. Schluchzend warf sie sich ihrem Vater in die Arme und presste sich an ihn. Alle Gefühle, die sie unterdrückt hatte, um ihre Familie zu bemuttern, brachen sich nun Bahn, und ihr Körper wurde von herzzerreißendem Weinen geschüttelt. Prompt brach Ben ebenfalls in Tränen aus und schmiegte sich an seine Schwester.
    »Komm schon, Prinzessin, jetzt hast du Ben auch noch aufgeregt«, sagte Thomas in leicht gereiztem Ton. »In ein paar Monaten bin ich zurück. Ich dachte immer, ihr wärt meine tapferen kleinen Soldaten.« Thomas drückte seine beiden Kinder an sich und warf über Alices bebende Schultern hinweg Bea einen hilflosen Blick zu.
    Alice beherrschte sich mühsam und richtete sich auf. Nachdem sie

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