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Weites Land der Träume

Titel: Weites Land der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCoullagh Rennie
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gestürmt kamen, verstummten angesichts der ernsten Stimmung schlagartig. Die Tür knallte hinter ihnen zu und wurde im nächsten Moment wieder aufgerissen, als Katie hereingelaufen kam. Ihre langen Zöpfe flogen. Ihr folgte ein schmutziger und zerraufter Buddy.
    »Ich finde, wir sollten jetzt endlich Alices Geburtstagstee trinken, richtig, Ray?«, verkündete Tante Bea mit Nachdruck.
    Beschämt darüber, blind und voreilig geurteilt zu haben, blickte Ray zwischen seiner Frau und Alice hin und her. »Einverstanden. Ich gehe mich nur rasch frisch machen«, murmelte er. »Über das Problem reden wir später, Liebling«, fügte er brummig hinzu. Es war selten, dass er seine Frau mit einem Kosenamen ansprach.
    »Sehr gut, Schatz«, erwiderte Tante Bea und lächelte entschlossen.
    Mit gezwungener Fröhlichkeit wandte sich Ray an seine Kinder. »Hallo, Jungs. Katie. Habt ihr euch auch alle die Hände gewaschen?« Er zauste dem erschrockenen Ben das Haar. An der Tür drehte er sich noch einmal zu Alice um. »War wohl wirklich ein scheußlicher Tag, was?« Alices Unterlippe zitterte. »Die neue Frisur ist viel praktischer«, meinte er dann freundlich, als Alice vorsichtig nach ihrem kurz geschnittenen Haar tastete und vergeblich versuchte, die Tränen zu unterdrücken, die ihr aus den Augenwinkeln quollen.
    »Ein Geburtstag ist doch genau der richtige Tag für Veränderungen«, verkündete Tante Bea und griff nach den Tellern, um sie Alice zu reichen. »Und jetzt geht ihr euch alle die Hände waschen, während Alice und ich den Tisch fertig decken.«
    Auch wenn Tante Bea gewiss noch einiges zu dem Zwischenfall zu sagen hatte, geschah dies nicht in Alices Hörweite. In den folgenden Wochen konnte Alice kaum fassen, wie sehr sich Rays Verhalten ihr gegenüber verändert hatte.
    Da Alice die offizielle Aufnahmezeremonie in der Schule nun hinter sich hatte, stellte Damien keine unmittelbare Bedrohung mehr dar. Dennoch war sie auf der Hut. Nur wenige Mitschüler kannten die wahren Hintergründe von Alices neuer Kurzhaarfrisur. Und als Damien die Narben an seinem Bein vorzeigte und behauptete, Alice habe ihn gebissen, stieg sie eher in der allgemeinen Achtung als sich dadurch Schwierigkeiten einzuhandeln. Bald schwang ein ganz anderer Unterton mit, wenn jemand ihren Spitznamen »Prinzessin Alice« aussprach.
    Allerdings fühlte Alice sich immer noch einsam. Sie sehnte sich so sehr nach Freundschaft mit ihren Cousins und stellte außerdem beim allmorgendlichen Versorgen der Ziegen fest, dass sogar ihr Bruder sich verändert hatte. Inzwischen ahmte er das aufsässige Verhalten von Don und Dan nach, da er offenbar zu dem Schluss gekommen war, dass es mehr Sicherheit vor weiteren Prügeln in der Schule bedeutete, wenn er sich mit ihnen verbündete. Tante Bea hatte ihm erlaubt, zusammen mit seinen Cousins morgens die Schweine zu füttern anstatt weiter beim Melken zu helfen. Er stürzte sich unter großem Jubel auf diese Aufgabe und hatte Spaß daran, sich schmutzig zu machen, wenn er mit den anderen drei Jungen den Schweinekoben ausmistete. Alice gegenüber deutete er an, er sei nun ein großer Junge, weshalb sie ihn nicht mehr zu beschützen brauchte. Obwohl Alice sich über die Verwandlung ihres Bruders in einen gesunden kleinen Lausbuben freute, vermisste sie die Nähe zu ihm. So wurde Dummerchens Anhänglichkeit und Zärtlichkeit immer wichtiger für sie.
    »Wenigstens habe ich noch dich, Dummerchen«, seufzte Alice liebevoll und liebkoste das Knickohr der Ziege. »Und wie Mum immer sagte, kann einem niemand die Träume wegnehmen.« Dummerchen meckerte wehmütig und versetzte Alice einen sanften Stups. Alice lachte auf und fühlte sich schon viel besser. Wenigstens war sie nicht ganz allein auf der Welt.

Kapitel sechs
    Die Woche, in der Alice Billy und Paddy kennen lernte, würde ihr für immer im Gedächtnis bleiben. Es war in den Septemberferien. Das Scheren in Wangianna, der Schaffarm, wo die beiden Jungen arbeiteten, war abgeschlossen, und sie hatten ein paar Tage Urlaub bekommen, bevor sie die Zuchtwidder für die Auktionen im Oktober vorbereiten mussten.
    Alice war ungewöhnlich guter Dinge. Gerade hatte sie erfahren, dass Grunz nach den Ferien nicht in die Schule zurückkehren, sondern eine Stelle auf einer Farm, vierhundert Kilometer entfernt von Billabrin, antreten würde. Außerdem würde ihr Dad in nur drei Monaten zurückkehren. Das Leben wurde immer schöner. Inzwischen durfte sie ihrem Onkel sogar ein wenig im

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