Weites wildes Land
Eigentlich hätte sie ihm am liebsten auf der Stelle eine abschlägige Antwort gegeben, doch dazu hatte er ihr keine Gelegenheit gelassen. Nun allerdings fühlte sie sich allein gelassen, und ihr wurde klar, daß Zack Hamilton ihr fehlen würde. Das würde er wirklich. Inzwischen stand Maudie vor dem Haus und übernahm das Kommando. Sie brüllte den zurückbleibenden Farmarbeitern zu, sie sollten endlich zur Arbeit antreten, und um ihren Worten Nachdruck zu verleihen, schlug sie dröhnend auf den Küchengong. »Oh, fahr doch zur Hölle«, sagte Sibell und legte sich wieder ins Bett.
* * *
Zack hatte sich geirrt. Maudie brauchte Sibells Hilfe nicht und behandelte sie wie ein dummes Dienstmädchen. Oder vielmehr versuchte sie das, aber Sibell ließ es sich nicht gefallen. »Solange ich hier bin, werden Sie höflich mit mir sprechen.« »Sie brauchen ja nicht zu bleiben«, entgegnete Maudie. »Wir kommen auch ohne Sie ganz gut zurecht.« »Ich habe Zack versprochen, daß ich meine Arbeit tue. Und dieses Versprechen werde ich auch halten.« »Ach ja, Zack. Sie hoffen wohl immer noch, er würde Sie heiraten? Sie glauben wohl, daß Sie eines Tages hier die Hausherrin sind und mich hinausdrängen können?« »Darum geht es also«, meinte Sibell. »Ob die Farm richtig geführt wird, ist Ihnen völlig gleich, solange Sie nur die ›Missus‹ bleiben. Gut, hier ist das Journal.« Sibell warf ihr das Buch vor die Füße. »Tragen Sie die Posten ein. Und hier ist ein Brief von der Bank. Lesen Sie ihn – er ist ziemlich unangenehm – und erklären Sie den Leuten, wie Mr. Hamilton seine Rückzahlungen abzuleisten gedenkt. Und hier sind noch ein paar Briefe, und da sind die offenen Rechnungen. Beantworten Sie das alles doch selbst!« »Casey kann mir helfen«, meinte Maudie trotzig. »Sie wissen genau, daß er mit Mühe und Not gerade seinen eigenen Namen schreiben kann.« »Brüsten Sie sich nur mit Ihrer Schulbildung. Sie sind ja so schrecklich klug! Sie bleiben doch nur hier, weil Sie sonst nirgendwo hinkönnen!« »Da machen Sie sich mal keine Sorge. Sobald Zack zurückkommt, bin ich fort. Ich kann diesen Augenblick kaum noch erwarten. Und bis es soweit ist, nehmen Sie die Stiefel vom Tisch, weil Sie ihn sonst nur zerkratzen. Charlotte hat ein Vermögen dafür bezahlt.« »Vergessen Sie nicht, das ist mein Haus. Und ich stelle meine Stiefel hin, wo ich will.« Später stellte Sibell jedoch fest, daß die Stiefel verschwunden waren, und nie wieder standen sie auf dem Eßzimmertisch. Anscheinend hatte Charlottes Wort für Maudie noch immer Gewicht, und aus diesem Grunde berief Sibell sich bei entsprechender Gelegenheit gern auf die frühere Hausherrin – immerhin mit gewissem Erfolg. Netta ließ sich nur schwer dazu überreden, Sibell in der Küche zu helfen, da sie diese nach wie vor als Sam Lims Reich betrachtete. Zunächst hatte Sibell große Mühe, den Küchenherd am Brennen zu halten. Immer wieder ging der riesige alte Ofen aus, weshalb Maudies Essen oft noch halb gar war, wenn sie von der Arbeit zurückkam. Schadenfroh grinsend saß sie dann auf der Veranda und weigerte sich zu helfen. Doch allmählich lernte Sibell, mit dem Ofen umzugehen und – unter Sam Lims Anleitung – schmackhafte Mahlzeiten zu bereiten. Nicht selten »mogelte« sie allerdings und holte Eintopf und Mehlspeisen aus Sam Lims »Kochhaus«, wie er seine neue Wirkungsstätte nannte. Sibell war entsetzt, daß Maudie sich so wenig um ihren Sohn kümmerte. Abgesehen von den Stunden, wo sie ihm das Reiten beibrachte, überließ sie ihn der Obhut der beiden schwarzen Kindermädchen. Sie machte sich nicht einmal die Mühe, ihn abends ins Bett zu bringen. »Sie sollten ihm ein bißchen mehr Zeit widmen«, hielt Sibell Maudie vor. »Wozu. Ich selbst hatte nicht mal ein Kindermädchen, und meine Brüder auch nicht. Wesley ist ohnehin schon verwöhnt genug.« »Er spricht englisch wie die Schwarzen. Er sollte mit uns am Tisch essen und weniger Zeit mit den Zwillingen verbringen.« »Man merkt gleich, daß Sie von Kindern keine Ahnung haben. Er flitzt den ganzen Tag durch die Gegend, ist gesund und munter, und deshalb ißt er schon um fünf Uhr und geht anschließend ins Bett. Aber ich komme erst bei Dunkelwerden heim und bin dann auch entsprechend müde.« Und das war für Sibell ein Geschenk des Himmels. Außer sonntags war Maudie gewöhnlich den ganzen Tag auf der Farm unterwegs. Meistens kam sie zwar zum Mittagessen vorbei, doch nicht selten
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