Weites wildes Land
blieb sie auch den ganzen Tag über fort. Abgesehen davon, daß Sibell morgens noch gelegentlich den Haferbrei anbrennen ließ, kam es bei der Arbeit nicht mehr zu unangenehmen Zwischenfällen. Wenn Maudie erst einmal aufgebrochen war, legte sich über das Haus ein geruhsamer Frieden. Am Vormittag bereitete Sibell gemeinsam mit Netta die Mahlzeiten vor, und dann machten sich die beiden Frauen an die Hausarbeit. Nach dem Mittagessen zog Sibell sich zufrieden ins Büro zurück. Sie war fest entschlossen, Zack nicht den geringsten Anlaß zu Klagen zu geben. Wenn Maudie abends zu Bett gegangen war, holte Sibell sich ein Buch und las sich ganz allmählich durch Charlottes Bibliothek. So oft wie möglich beschäftigte sie sich mit Wesley, um sein Englisch zu verbessern. Ohne Maudies Wissen brachte sie ihm auch das Schreiben bei. Unversehens gehörten auch seine Kindermädchen bald zu ihren Schülern. Und so setzte sie für den Anfängerunterricht jeden Morgen eine feste Stunde an, sehr zur Freude ihrer Schüler, die gute Fortschritte machten. Als Logan eintraf, hatte sie ihn fast schon vergessen, so sehr war sie von ihren Aufgaben in Anspruch genommen. Dankbar, daß Maudie fortgeritten war, stürzte sie nach draußen und umarmte ihn. »Ich bin ja so froh, dich zu sehen! Warum hast du nicht Bescheid gegeben, daß du kommst?« »Ich wollte keine Zeit verlieren«, erklärte er. »Ich bin mit unserer Goldlieferung auf dem Weg nach Idle Creek und dachte, eine günstigere Gelegenheit finde ich nicht wieder. Wie ich hörte, gab es hier in der Gegend Ärger mit den Schwarzen. Wo sind die anderen? Bist du ganz allein?« »Beinahe«, sagte sie. »Komm ins Haus, Logan. Ich habe dir viel zu erzählen.« Sie führte ihn ins Wohnzimmer und freute sich, als sie sah, daß ihm das Haus gefiel. »Möchtest du Tee? Oder einen Drink?« »Später«, sagte er, während er sie in die Arme zog. »Ich will dich. O mein Gott, ich habe mich nach dir gesehnt, Sibell!« Sie konnte es kaum fassen, daß sie ihn so plötzlich vor sich sah. Ihr Logan, endlich war er gekommen! Und nur um sie zu sehen, hatte er diesen weiten Umweg gemacht… Sie schob ihn sanft von sich fort. »Nicht hier.« An der Hand zog sie ihn durch den Korridor bis zu ihrem Schlafzimmer. Dort konnten sie sich in der sanften Brise des Nachmittags lieben. Ein wenig schuldbewußt betete sie, daß niemand sie stören würde. Ihr Gebet wurde erhört. Diesmal entkleidete er sie langsam und genußvoll, und sie erbebte unter seinen zärtlichen Fingern, seinen Küssen, seinen sinnlichen Liebkosungen. Sie bewunderte seinen nackten Körper, als er das Laken zurückschlug und sie aufs Bett hob. Ihr Bett, wo sie immer an ihn erinnert werden würde, wo sie sich nach ihm sehnen würde, wenn er wieder fortgeritten war, bis sie eines Tages für immer vereint waren. Später, als sie in seinen Armen lag, fragte sie sich, was sie ihm antworten sollte, wenn er sie jetzt bat, ihn zu begleiten. Jetzt gleich. Eine Ablehnung würde ihr schwer fallen – nein, das wäre schrecklich – , aber sie hatte Zack nun einmal versprochen, zu bleiben. Wie lange würde Zack noch unterwegs sein? Monate, endlose, öde Monate. Vielleicht könnten Logan und sie jetzt schon ihre Verlobung bekannt geben und nach Zacks Rückkehr heiraten. Der arme Zack… Aber womöglich, redete sie sich ein, hatte er seine Meinung inzwischen längst geändert. Wahrscheinlich war sein Antrag nur einer vorübergehenden Laune entsprungen, seiner Dankbarkeit, daß sie bereitwillig aushalf. Vielleicht hatte er sie schon längst wieder vergessen. Aber Logan sprach nicht von Heirat; er fragte lediglich, ob er ein paar Tage bleiben dürfe. »Natürlich kannst du das«, sagte sie. »Ich freue mich, wenn du noch dableibst.« »Aber was ist mit diesem Hausdrachen, mit Maudie, von der du erzählt hast?« »Das kriegen wir schon hin«, meinte Sibell, die hoffte, daß Maudie keine Schwierigkeiten machen würde. Tatsächlich schien Maudie nichts gegen seinen Besuch einzuwenden zu haben. »Sie haben mir noch gar nichts von Ihrem Freund erzählt«, sagte sie schnippisch, als sie endlich Gelegenheit fand, Sibell zur Seite zu ziehen. »Sie haben mich nie danach gefragt«, meinte Sibell von oben herab. »Ein stattlicher Mann«, meinte die junge Witwe anerkennend. »Wollen Sie heiraten?« »Vielleicht«, sagte Sibell vorsichtig, um sich vor Maudie keine Blöße zu geben. Beim Abendessen zeigte sich Maudie von ihrer besten Seite und machte sich einen Spaß daraus,
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