Weites wildes Land
fühlte sich einsam und verzweifelt. Maudie hatte ihr deutlich gemacht, daß ihre Dienste in diesem Zeitraum nicht gebraucht wurden, und keine Einladung für die Reise nach Palmerston ausgesprochen. Aber wohin sollte sie gehen? Sie erkannte plötzlich, daß sie gezwungen sein würde, auf der Farm zu bleiben oder sich eine andere Stellung zu suchen, wenn Logan sie nicht von hier wegholte. Außer sie heiratete Zack, was natürlich nicht in Frage kam. Trotz Sibells Auseinandersetzungen mit Maudie vergingen die Tage für sie wie im Flug. Dafür sorgten schon ihre täglichen Pflichten auf der Farm. An den Lärm, mit dem sich die Männer frühmorgens für die Arbeit vorbereiteten, an ihre Rufe und ihr Lachen, das sich unter das Klappern des Geschirrs mischte, an die aufgeregt bellenden Hunde, die den Aufbruch kaum erwarten konnten, hatte sie sich mittlerweile gewöhnt. Nur zu gern blickte sie ihnen nach, wenn sie mit hochgekrempelten Ärmeln am Haus vorbeiritten. Häufig trieben sie Trupps von Rindern oder Pferden über die Wege am Haupthaus in die nahe gelegenen Pferche. Zu Beginn hatte Sibell die Horden polternd dahinstürmender Tiere noch wie gebannt beobachtet, doch da sie nun nicht nur Buchhalterin, sondern auch Haushälterin war, bedeutete ein solcher Zug Wolken von Staub und noch mehr Fliegen als zuvor. Jeden Tag mußte der Kampf gegen Staub und Schmutz neu aufgenommen werden, die ihren Weg in jeden Winkel des Hauses fanden, von den Schwärmen von Schmeißfliegen und Sibells speziellen Feinden, den großen Küchenschaben, ganz zu schweigen. Alles Eßbare mußte in verschließbaren Behältnissen aufbewahrt werden, die in Schalen mit Wasser standen, um die scharenweise in die Küche eindringenden Ameisen abzuhalten. Ein Teil von Charlottes neuen Möbeln war bereits von Termiten angenagt. Netta, die an die Insekten gewöhnt war, ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Was regen Sie sich auf?« fragte sie, wenn Sibell vor einem Lebensmittelregal, auf dem es von Hunderten schwarzen Ameisen wimmelte, verzweifelt die Hände rang. Es war ein Glück, daß sich Sam Lim um das Hühnerhaus und den Gemüsegarten kümmerte. Sibell fürchtete sich nämlich so vor den Schlangen, daß sie keines davon zu betreten wagte. An all die großen und kleinen Echsen hatte sie sich mittlerweile fast gewöhnt, nicht jedoch an die Schlangen. Zwar waren sie im dichten Gras nur selten zu sehen, doch Sibell wußte, daß sie dort lauerten, denn schließlich hatte sie schon genügend entdeckt, die träge von den Bäumen herabhingen. Nachdem sie das ganze Haus saubergemacht und für Maudie – die gut und gerne für zwei Männer aß – drei warme Mahlzeiten vorbereitet hatte, schickte sie Netta hinüber zu Sam. Dort sollte sie die tägliche Ration von Kuchen und Hefegebäck abholen, die, wie Sibell mittlerweile gelernt hatte, ihren festen Platz auf dem Speisezettel der Bewohner dieser Farm hatten. Morgens und nachmittags wurden sie zum Tee angeboten, und Maudie konnte ausgesprochen böse werden, wenn sie die Kuchendose leer vorfand. Sibell verlegte ihre Bürostunden auf den Abend, so daß sie Maudies und Caseys Berichte von den Ergebnissen des Tages gleich mit in ihre Aufzeichnungen aufnehmen konnte. Noch immer hatte sie nichts von Logan gehört. Doch das nahm sie ihm nicht übel: denn bald würde er kommen. »Ganz bestimmt kommt er bald«, sagte sie sich mit wachsender Gewißheit. »Hier wartet ja dieses Wolfram auf ihn.« Allerdings machte sie sich Sorgen, wie Zack es aufnehmen würde, wenn auf seinem Land ein Bergwerk errichtet wurde. Doch durch ein paar vorsichtige Fragen an Casey hatte sie erfahren, daß Logan durchaus im Rahmen des Gesetzes handelte, wenn er seine Schürfrechte anmeldete. Dabei hatte sie Logans Namen nicht erwähnt, sondern von Bergleuten ganz allgemein gesprochen. »Bergleute?« hatte Casey gesagt. »Die sind eine verdammte Plage, aber es gibt sie nun einmal. Wir dürfen uns nicht beklagen, denn wenn sie in einer Stadt einfallen, sind sie auf unsere Versorgung angewiesen. Und irgendwann ziehen sie dann weiter.« An diesem Tag stand Sibell in der Küche und bügelte, da die schwarzen Mädchen zu dieser in ihren Augen nutzlosen Arbeit nicht zu bewegen waren. Allerdings sahen sie gern dabei zu. Plötzlich war ein laut hallender Donnerschlag zu hören, und Sibell fuhr zusammen, so daß das Bügeleisen mit einem Knall zu Boden fiel. Blitzschnell verkroch sich Netta unter dem Tisch, und die Zwillinge kamen mit Wesley in die Küche
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