Weites wildes Land
Schließlich wandte er sich an den Anführer, der in ihrem Gänsemarsch direkt vor ihm her schritt. »Wie weit ist es noch?« »Gleich bei Fluß«, antwortete dieser. Als nächste Herausforderung erwies sich allerdings ein Mangrovensumpf. »Besser, wir erkunden den erst mal«, sagte Joe zu seinem Bruder. »Dort könnte es Treibsand geben. Wir lassen die Pferde hier und werfen einen Blick auf ihren verdammten Fluß. Und dann heißt's ›Vielen Dank, meine Freunde‹, und wir sehen zu, daß wir die Kerle loswerden. Auf dem Weg, den wir eingeschlagen hatten, waren wir besser dran.« Er ärgerte sich noch immer über den Verlust ihrer Waffen. Zu allem Überfluß stolperten sie durch eine halbtrockene Moorlandschaft, in der es von Wildgeflügel nur so wimmelte. Vielleicht war dies in der Regenzeit ihre Brutstätte. Aber wie sollten sie die Vögel ohne Knarre vom Himmel holen? Trotzdem behielt er nach außen hin seine gute Laune, als sie sich über Flecken getrockneten Schlamms zu einem verwirrenden Netzwerk knorriger Wurzeln voranquälten. »Wie weit ist es bis zu dieser Mission«, fragte er seinen schwarzen Begleiter. »Zwei Tage«, erwiderte der Bursche, offensichtlich völlig gebannt von einer riesigen Schar fliegender Wildenten, die schnatternd von ihren Nestern aufstoben. »Durch dieses Land? Das ist verdammt anstrengend«, meinte Joe, während er aufpaßte, wohin er die Füße setzte. Die gewundenen Mangrovenwurzeln waren in der Trockenheit messerscharf geworden; sie hungerten nach Wasser. »Kanu«, wurde ihm erklärt. Damit ergaben sich ganz neue Möglichkeiten. Wenn die Schwarzen Kanus, oder besser Einbäume, besaßen, könnten sie sich zusammentun und die Mission überfallen. Und noch während er sich dies ausmalte, stießen sie, nachdem sie das letzte wuchernde Unterholz überwunden hatten, endlich auf den Fluß. Die Schwarzen hatten recht gehabt. Er war wirklich breit, floß dennoch schnell dahin und roch bereits nach dem Meer. Links von ihnen öffnete sich das Mangrovendickicht, und Joe entdeckte einen schmalen, sandbedeckten Uferstreifen. »Dorthin«, befahl er. Allmählich gewann er seine Selbstsicherheit zurück, und die anderen gehorchten ihm. »Dieser Platz ist schon besser«, sagte er zu Joshua, als sie den Blick über den Busch gleiten ließen, den sie hinter sich gelassen hatten. »Hier läßt es sich eher aushalten als in der Gegend, die wir durchquert haben. Jetzt müssen wir nur noch unsere Pferde holen.« »Schicken w-w-wir doch d-d-die Schwarzen los«, schlug Joshua vor. »Es wird schon dunkel.« »Das hatte ich gerade vor«, meinte Joe, obwohl er auf diese Möglichkeit nicht gekommen war. Doch als er sich umwandte, um sein Anliegen vorzutragen, merkte er, daß die Stimmung sich geändert hatte. Die Schwarzen lächelten nicht mehr, Stattdessen waren ihre mit weißen Flecken bemalten kohlschwarzen Gesichter Masken aus Stein. Sie hatten sich quer über den kleinen Strand aufgebaut und hinderten die Brüder an der Umkehr. »Los, schwimmen«, erklärte ihr Anführer und schwang den Revolver. Die anderen hatten Kampfstellung eingenommen und die Speere erhoben. »Was soll das?« rief Joe. »Wir haben euch doch nichts getan. Ich habe euch sogar unsere Waffen gegeben!« »Diese Mann gehen erster«, befahl der Anführer. Zwei seiner Männer ergriffen Joshua und drängten ihn zum Wasser. Joe gellte ihnen zu: »Nein. Noch nicht. Wir können nicht durch diesen verdammten Fluß schwimmen! Wir müssen erst noch unsere Pferde holen. Laßt das! Er wird ertrinken! Ihr seid wohl wahnsinnig?« Doch als man Joshua, der verzweifelt um Hilfe rief, in die Fluten warf, wurden auch Joes Arme von bärenstarken Fäusten umklammert. Die Aborigines liefen zum Ufer und sahen grinsend zu, wie ihr Anführer mit zwei Schüssen sicherstellte, daß Joshua auch wirklich schwamm. Joe wandte sich flehend an den Anführer, doch dieser schob ihn wortlos beiseite. Und so mußte er hilflos mit ansehen, was geschah. Aufgeregt liefen die Aborigines durcheinander und klatschten in die Hände. Joe rief seinem Bruder – der arme Joshua war noch nie ein guter Schwimmer gewesen – derweilen zu, er solle die Ruhe bewahren und sich nicht verausgaben. Erst dann sah er, was die Eingeborenen so begeisterte. Lange Mäuler tauchten aus der Wasserfläche auf. »Paß auf!«, schrie er Joshua zu. »Krokodile! Schwimm um dein Leben!« Er schlug und trat um sich, doch er mußte im eisernen Griff des Eingeborenen am Strand hilflos mit ansehen, wie sich die
Weitere Kostenlose Bücher