Weites wildes Land
blutrünstigen Bestien auf seinen Bruder stürzten. Joshua schrie auf. Mindestens vier der Ungeheuer balgten sich im Fluß um Joshuas Körper. Ihre Schwänze peitschten auf, und während sie ihre Beute in Stücke rissen, färbte sich das Wasser blutrot. Weinend sank Joe in die Knie. »Warum habt ihr das getan?« rief er anklagend. »Er hatte euch doch nichts getan. Noch nie im Leben hat er jemandem ein Haar gekrümmt.« »Weiße Mann töten meine Bruder«, sagte der Anführer kalt. »Und jetzt wir zahlen zurück.« »Himmel, das war doch nicht er! Wir sind gerade erst in diese Gegend gekommen und wissen nichts davon.« Die Sonne ging unter, und ein träger rosiger Dunst hatte sich über die Landschaft gelegt. Der Anführer hatte keine Eile. Lässig stand er über Joe gebeugt, den Revolver im Anschlag. »Ist dasselbe. Weiße Mann jagen unsere Leute. Wir jagen Weiße.« Er verzog das Gesicht zu einer grinsenden Grimasse. »Ist gerecht!« »Nein, ganz und gar nicht«, brüllte Joe ihn an. »Alles andre als gerecht. Du hast meinen Bruder getötet. Ich hatte versprochen, mich um ihn zu kümmern. Und nun sieh selbst, was aus ihm geworden ist. O Herr im Himmel!« Er schluchzte. »Ich glaube, mir wird schlecht.« Joe beugte sich vor, um sich in den Sand zu übergeben. Im gleichen Augenblick sah er ein weiteres Krokodil von mindestens sechs Metern Länge, das auf sie zukam. Es bewegte sich in einer Geschwindigkeit voran, die Joe kaum vorstellbar erschien. Gemeinsam liefen die Schwarzen und ihr Gefangener ins Landesinnere, um sich vor der Bestie in Sicherheit zu bringen. Doch Joes Freiheit war nur von kurzer Dauer. Die Schwarzen brachten ihn erneut ans Ufer zurück, wobei sie allerdings ängstlich nach weiteren rotäugigen, gepanzerten Reptilien Ausschau hielten. »Wir müssen sehen, daß wir hier wegkommen«, erklärte Joe ihnen. »Sonst holen sie uns auch noch, wenn es dunkel wird.« »Du schwimmen«, erklärte der Anführer. Fassungslos blickte Joe in das grausame, reglose Gesicht. »Du kriegst mich nicht in diesen Fluß«, schrie er. Joe zog sein Messer aus dem Stiefel und sprang von ihm fort, den Rücken zum Wasser. »Kommt doch«, drohte er und schwang die doppelseitige Klinge, die ihm schon durch viele böse Auseinandersetzungen geholfen hatte. »Wer will als erster?« Doch die Aborigines kannten dieses Spiel nicht. Mit traumähnlicher Langsamkeit kam ein Speer angeflogen und bohrte sich ihm in die Hüfte. Obwohl ihn sein Gewicht fast zu Boden gerissen hätte, ließ Joe ihn dort stecken. Dem Anführer rief er Flüche zu. »Komm doch, du feiger Hund, und hol mich. Mich kriegst du nicht in diesen verdammten Fluß. Du wirst dafür sterben. Die Polizeitruppen werden dich holen.« Ein zweiter Speer traf ihn in die Schulter. »Mich werft ihr nicht den Krokodilen zum Fraß vor. Macht aus mir doch ein Nadelkissen!« Und auch in dem Augenblick seines Todes, bevor er auf dem Uferstreifen seinen letzten Atemzug tat, rief er seine alten Feinde um Hilfe an. »Die Polizisten werden euch holen und allesamt ins Gefängnis stecken! Ihr seid jetzt schon so gut wie tot. Alle miteinander!« Sie warfen seine Leiche den Krokodilen zum Fraß vor. Dann kehrten sie zu den Pferden zurück und ließen sie frei. Zuletzt beseitigten sie alle Spuren der Kochstelle der Weißen. Die Sättel, die schweren Taschen und alles andere, was sie dabeigehabt hatten, warfen sie in den Fluß. Belustigt sahen sie zu, wie sich die Krokodile um die Sättel rauften. Eines hatten sie allerdings übersehen: eine Weste aus Kuhhaut mit beschlagenen Messingknöpfen, die noch immer an einem Ast hing.
Achtes Kapitel
Entgeistert sah Netta zu, wie die Missy zur Tür hinauslief, um den Schwarzen zu begrüßen. Dann führte sie ihn tatsächlich durch die Vordertür ins Haus und in die Küche. Sie konnte von Glück reden, daß Maudie immer noch geschient und verbunden ans Bett gefesselt war, denn diesmal wäre sie wirklich böse mit der Missy gewesen. Aber Sibell bemerkte überhaupt nicht, daß Netta ihr Verhalten mißbilligte. »Komm herein, Jimmy. Was für eine schöne Überraschung! Setz dich. Möchtest du eine Tasse Tee?« Verängstigt rollte Netta die Augen. Schwarze Männer durften das Haus nicht betreten, geschweige denn sich setzen, um Tee zu trinken. Beim bloßen Gedanken daran, was Maudie sagen würde, erschauderte sie. Die beiden Frauen fauchten einander sowieso die meiste Zeit an wie zwei Katzen. Ängstlich bereitete sie auf Missys Geheiß hin Tee und
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