Weites wildes Land
mal sehen. Sie müssen eins nach dem anderen erledigen. Was stand im Testament Ihres Mannes?« »Er hat keins hinterlassen. Er war ja noch so jung…« »Ich verstehe. Und was ist mit Charlottes Testament? Ich dachte, mich trifft der Schlag, als ich hörte, daß sie gestorben ist. Sie war eine so feine Frau. Ich habe mich oft mit ihr zum Essen getroffen.« Hilda lachte. »Charlotte wußte alles in dieser Stadt, was sich zu wissen lohnte. Sie hätte ihr Geld niemals aus den Händen geben und es windigen Rechtsanwälten anvertrauen dürfen. Denn wenn die was von Geschäften verstanden hätten, wären sie ebenso reich wie sie und nicht darauf angewiesen, für sie zu arbeiten.« »Sie hat alles verloren«, sagte Maudie bedrückt. »Nicht alles, denn die Black Wattle Farm ist Ihnen ja noch geblieben. Sie hatte die Finger auf dem Geldbeutel. Und was hat sie in ihrem Testament verfügt?« »Keine Ahnung. Wir haben bisher nicht nachgesehen. Zack war die ganze Zeit mit dem Viehtrieb unterwegs, und ich hatte zu viel zu tun. Sie hat immer gesagt, sie würde alles ihren zwei Söhnen hinterlassen, also warum sollten wir das Testament suchen?« Hilda seufzte. »Wie könnt ihr Buschbewohner nur so nachlässig sein. Laßt einfach alles so weiterlaufen! Als erstes müssen Sie sicherstellen, daß die Farm auf Ihren und Zacks Namen eingetragen wird. Sonst können sie Ihnen Ihren Anteil nehmen.« »Das würde Zack nie tun«, sagte Maudie. »Es ist das Haus, um das ich mir Sorgen mache.« »So denken sie im Augenblick«, erwiderte Hilda, während sie sich hoch wuchtete. »Ich hole Ihnen eine Krücke. Wir beide werden uns selbst drum kümmern.« »Um was?« »Um das Testament, Mädchen. Charlottes Testament. Ich werde öfters als Zeugin benannt, also kenne ich mich damit aus.« Maudie war verwirrt. »Und wo sollen wir nachsehen?« »Ich schätze, das liegt noch immer in der Kanzlei vom alten Chester. Chester Pollard, unser hiesiger Rechtsanwalt. Der ist gewöhnlich nicht dazu zu bewegen, die Nase aus seiner Tür herauszustrecken; man muß ihn mit einem Bootsmast anstoßen, damit er sich überhaupt bewegt. Deshalb wartet er wohl auch darauf, daß sich einer von euch Hamiltons bei ihm meldet.« »Sind Sie sicher, daß es dort liegt?« »Entweder dort oder auf Ihrer Farm. Hat man es im Haus bisher noch nicht gefunden?« »Nicht daß ich wüßte.« »Sehen Sie!« Hilda tanzte beinahe über die Fußbodendielen. Für eine so üppige Frau bewegte sie sich ausgesprochen leichtfüßig. »Dann gehen wir beide mal los und sehen nach. In der nächsten Zeit wird man mich hier wohl nicht vermissen.« Maudie humpelte zum Eingang des Buschkrankenhauses. Die Segeltuchmarkisen vor den Fenstern flatterten leicht in einer sanften Brise. In dem schon fast unter Wasser stehenden Garten in einiger Entfernung spielten ein paar Kinder auf einer Wippe. Wenn eines von ihnen beim Abwärtswippen in der tiefen Pfütze landete, schrien sie entzückt auf. Maudie beschloß, für Wesley ebenfalls eine Wippe zu bauen, wenn sie nach Hause kamen. Nach Hause? Wie lange würde es noch ihr Zuhause sein, wenn Sibell erst einmal am Ruder war? Und wodurch wäre ihr geholfen, wenn sie Charlottes Testament las? Schließlich lag alles offen auf der Hand. Zack und Cliff hatten jeweils eine Hälfte besessen, und Zack hatte ihr mitgeteilt, daß sie Anspruch auf Cliffs Hälfte hatte. Eine Hälfte also. Was hatte er nun im Sinn? Wollte er das Haus zerteilen? Doch Hilda, die mittlerweile entschlossen war, Maudie zu helfen, konnte man sich nicht mehr in den Weg stellen. »Charlotte würde mir nie vergeben, wenn ich Ihnen nicht zur Seite stehe«, erklärte sie, als sie Maudie auf den Einspänner verfrachtete. »Ist das überhaupt rechtmäßig, was wir tun?« erkundigte sich Maudie, die sich mittlerweile Sorgen machte, was sie wohl zu lesen bekommen würde. »Vielleicht sollten wir zuerst mit Zack sprechen.« »Zack hat sicher nichts dagegen einzuwenden«, erklärte Hilda. Und so schaukelten sie mit dem Einspänner in die Stadt. »Wenn das Testament noch nicht eröffnet worden ist, tun Sie ihm sogar einen Gefallen. Es ist der erste Schritt, um die Farm auf Ihrer beider Namen eintragen zu lassen.« Als das Pferd so hastig um eine Ecke schoß, daß der Wagen beinahe umgekippt wäre, klammerte sich Maudie mit beiden Händen an die polierten Metallgriffe. Doch Hilda wußte, was sie tat. Entschlossen hielt sie die Zügel fest und trieb das Pferd zur Eile an, als seien Höllenhunde hinter ihnen
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