Weites wildes Land
hatte ihr braunes Haar ausgekämmt, es über ein künstliches Haarteil eingerollt und zu der zur Zeit so modischen Aufsteckfrisur drapiert, die das Gesicht vorteilhaft umrahmte. Sibell war beeindruckt. »Es sieht wunderschön aus«, sagte sie zu Maudie. »Einfach fabelhaft.« Sie holte einen zweiten Spiegel herbei, damit Maudie die sanften Wellen im Nacken richtig bewundern konnte. »Warum kann ich nicht auch Blumen haben wie Sibell?« beschwerte sie sich. »Mrs. Hamilton, meiner Meinung nach würden Blumen die Frisur verderben, weil sie alles verdecken. Aber Ohrringe würden sehr gut dazu passen.« »Ich hasse Ohrringe. Ich will Blumen.« Schließlich wurden weitere Frangipanis gepflückt, getrocknet und an Maudies Hinterkopf befestigt. Zack wartete im Wohnzimmer, und als die beiden Frauen endlich fertig waren, machte er ihnen Komplimente und schenkte Champagner ein. Sibell erkannte, wie aufgeregt er war. Überrascht stellte sie fest, daß er in seinem Abendanzug, dem gestärkten Hemd und der schwarzen Krawatte, die ihm nicht im mindesten lästig zu sein schien, sehr stattlich wirkte. Er nahm sich Zeit mit dem Champagner, füllte ihre Gläser nach, stieß mit ihnen auf ihre Gesundheit an und wünschte ihnen zum zweiten Mal frohe Weihnachten. Die Zwillinge und Wesley sprangen im Zimmer herum, hatten großen Spaß an der festlichen Stimmung und konnten sich vor Begeisterung über die schönen Kleider kaum fassen. Doch Maudie wurde ungeduldig. »Wir müssen los, Zack.« »Ich weiß«, antwortete er. »Bist du sicher, daß mit deinem Bein alles in Ordnung ist, Maudie?« »Laß dir darüber keine grauen Haare wachsen. Ich schaffe es schon, hinzukommen, und dann lege ich es auf einen Stuhl.« Zack ging zur Hintertür und spähte in die Dunkelheit hinaus. »Das Meer ist aufgewühlt«, berichtete er, als er zurückkam. »Es sieht aus, als würde der Sturm schlimmer. Soll ich wirklich in einer solchen Nacht mit euch ausgehen, Maudie?« »Was?« Sie sah ihn entsetzt an. »Wir sollen zu Hause bleiben, nur wegen einem bißchen Regen? Was ist in dich gefahren, Zack?« »Wenn du vor die Tür gehst, ist dein Kleid im Nu ruiniert.« »Wen kümmert das?« fuhr sie ihn wütend an. »Ich tanze sowieso nicht, also sieht es keiner.« »Ich weiß nicht so recht«, meinte er besorgt. »Es gefällt mir nicht, Wesley und die Mädchen allein zu lassen. Falls etwas geschieht, werden sie sich zu Tode ängstigen.« »Was sollte denn geschehen?« fragte Sibell. Aber niemand antwortete ihr. »Ich möchte Sibell keine Vorschriften machen«, sagte Zack zu Maudie. »Sie ist mit Mr. Conal verabredet, und der wird wahrscheinlich jede Minute hiersein. Doch ich bin mir nicht sicher, ob wir hingehen sollen, Maudie. Es wird noch andere Bälle geben.« »Du solltest dich mal reden hören«, widersprach Maudie, und zum ersten Mal wandte sie sich hilfesuchend an Sibell. »Ausgerechnet jetzt mußt du den großen Beschützer spielen. Wesley hat drei Leute, die sich um ihn kümmern, braucht er etwa fünf? Hör mir mal zu, Zack Hamilton: Nur alle Jubeljahre einmal habe ich Gelegenheit, auf einen Ball zu gehen, und ich werde gehen, und wenn die ganze Welt zusammenstürzt. Wenn du mich nicht begleitest, schließe ich mich eben Sibell und Logan an.« »Zack kommt schon mit«, meinte Sibell voll Hoffnung, da Maudies Vorschlag ihr den schönen Abend zu verderben drohte. »Das Wetter ist abscheulich«, stimmte sie lachend zu. »Hier in Palmerston scheint sich alles verschworen zu haben, damit wir uns ja nicht amüsieren. Wenn wir erst einmal wieder im Trockenen sind, haben wir bestimmt eine Menge Spaß. Zu Hause müßten wir an Weihnachten durch den Schnee stapfen, und hier ist es wenigstens nicht kalt. So holen wir uns zumindest keine Lungenentzündung.« Maudie konnte es kaum glauben. »Schnee? Man geht dort auch bei Schnee nach draußen? Hast du das gehört, Zack? In England lassen sich die Leute nicht einmal vom Schnee ins Bockshorn jagen, und du zitterst schon wie Espenlaub, wenn es nur ein bißchen regnet.« »Es geht mir nicht nur um den Regen«, gab er ärgerlich zurück. »Seit Tagen braut sich etwas zusammen; für mich sieht es aus wie ein Zyklon.« »O mein Gott!« Sibell wurde von Angst ergriffen. Das Zimmer um sie herum schien sich zu drehen. Zum ersten Mal seit den letzten schrecklichen Stunden auf der Cambridge Star hörte sie dieses Wort, das ihr wieder mit entsetzlicher Gewalt in den Ohren gellte. Maudie hatte sich mit einem feuchten Tuch über sie
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