Weites wildes Land
besuchen.« Lorelei zog den Mantel aus und setzte sich ganz ruhig an seinen Schreibtisch. »Wir müssen miteinander reden.« »Worüber?« »Geschäftliches.« Sie fuhr sich mit den Fingern durch die blonden Wuschellocken und achtete nicht auf seine schlechte Laune. »Ich schließe das Bijou.« Er war erleichtert. »Das sind gute Nachrichten.« »Ich dachte, du würdest dich darüber freuen. Und was ist mit uns? Du hast gesagt, daß du mich magst und daß alles anders würde, wenn ich das Bijou schließe.« Sie beobachtete seine Verlegenheit und fuhr fort. »Oder war das nur Gerede? Wir beide verstehen uns doch gut. Jeden Sonntag seit unserer Ankunft haben wir uns Zeit füreinander genommen, und wir hatten sehr viel Spaß dabei.« »Ich weiß, Lorelei«, antwortete er. »Aber es ist schwierig für mich. Vergiß nicht meine Stellung.« Lächelnd faltete sie die Hände auf dem Schoß. »Deine Ausreden kannst du dir sparen, Colonel. Ich hätte mich nie auf deine Versprechungen berufen. Ich möchte nur, daß du mir jetzt zuhörst.« Ihre Stimme klang ruhig, aber beharrlich und bohrte sich tief in Puckerings Gewissen. War sie nicht die ganze Zeit über die Freude seines einsamen Junggesellendaseins gewesen? Jeden Sonntagabend, wenn das Bijou als Zugeständnis an die Kirchgänger für alle außer dem Colonel – wie sie ihn immer nannte – geschlossen gewesen war, damit er und Lorelei ungestört blieben. Er hatte sich auf diese Abende gefreut. Sie hatten gespeist, Karten gespielt und sich geliebt, und sein Verlangen nach ihr hatte sich noch gesteigert, anstatt nachzulassen. Jedesmal fiel es ihm schwerer, sie bei Morgengrauen zu verlassen. Doch nun war dieses wohlgeordnete Arrangement gefährdet, und das störte ihn so sehr, daß seine Stimme wütend klang. »Was willst du?« »Einen Gefallen«, antwortete sie. »Gehst du heute abend auf den Ball?« »Ich glaube, ich muß mich blicken lassen«, brummte er. »Nimm mich mit.« Er starrte sie an. »Mein liebes Mädchen, das ist unmöglich.« »Warum?« »Das muß ich dir doch sicherlich nicht erst erklären? Die anderen Gäste würden sich beschweren. Ich muß mir sowieso schon genug anhören. Und außerdem könnte ich meine Stellung hier in Gefahr bringen.« »Meinst du etwa, sie werfen dich hinaus?« »Das ist nicht unwahrscheinlich.« Lorelei dachte darüber nach und stellte dann eine überraschende Frage: »Was soll aus dir werden, Colonel?« »Du fragst aber merkwürdige Sachen.« »Es ist gar nicht merkwürdig. Ich sage dir deine Zukunft voraus: Du bleibst hier und lebst von deinem Gehalt – von dem du immer sagst, daß es nicht sehr viel ist – in dieser kleinen Hütte. Und dann lernst du, wenn du Glück hast, eine nette Dame kennen und heiratest sie, und ihr seid bettelarm bis an euer Lebensende.« Puckering war amüsiert. »Bei dir klingt das, als wäre ich zu bedauern.« »Ich bin noch nicht fertig. Von deinem Gehalt müssen dann zwei Menschen leben, und irgendwann schicken sie dich und deine Missus mit ein paar lausigen hundert Pfund im Jahr in Pension. Und da du keinen Grundbesitz hast, werden deine Gattin und du in irgendeinem schäbigen Hotel enden.« Er brach in lautes Gelächter aus. »Du vergißt meine großen Tage in Indien.« Lorelei sprang auf und nahm ihn beim Arm. »Siehst du? Du weißt, wovon ich spreche, nämlich von all den pensionierten Offizieren und Beamten, die irgendwo in möblierten Zimmern hausen.« Sie lächelte betörend. »Außer natürlich, wenn du eine reiche Dame heiratest.« »Dann muß ich wohl bald anfangen, mich umzusehen.« »Da brauchst du nicht lange zu suchen«, antwortete sie und trat einen Schritt zurück. Als sie sah, wie er entschlossen den Kiefer vorschob, sprach sie rasch weiter. »Beruhige dich und schau nicht so entsetzt. Trau meinem gesunden Menschenverstand. Ich verlange doch schließlich nicht, daß du von den Erträgen eines Bordells lebst.« »Das möchte ich auch nicht hoffen«, gab er steif zurück. Sie nahm ihn bei der Hand. »Komm, setz dich. Ich kann nicht mit dir reden, wenn du herumstehst, als hättest du ein Lineal verschluckt.« Dann führte sie ihn zum Sofa und erzählte ihm alles über die Wolframminen. »Deswegen schließe ich den Laden. Sibell stehen fünfzig Prozent zu, darauf haben wir uns geeinigt, aber wenn wir uns meine Hälfte teilen, wirst du nie mehr Geldprobleme haben. Du brauchst dich nicht mehr darum zu kümmern, was die Leute sagen… du kannst deine Arbeit aufgeben. « Puckering runzelte
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