Weites wildes Land
war sie doch ein so hübsches Mädchen.« »Ich gehe und besuche sie«, meinte er bedrückt. »Ja, versuchen Sie, sie ein wenig aufzuheitern. Lorelei ist nicht auf den Kopf gefallen, und sie weiß ziemlich gut, warum sie so erfolgreich war. Ein Mädchen wie sie, und jetzt, wo ihre Schönheit dahin ist. Man muß auf sie aufpassen.« »Warum?« Hilda, die sich selten ein Blatt vor den Mund nahm, drehte sich zu ihm um. »Weil Gefahr besteht, daß sie sich was antut.«
* * *
Das Krankenhaus sah aus, als sei es von einem gewaltigen Fuß zertreten worden. Einige Mauern waren eingedrückt, die anderen, an dem Flügel des Gebäudes, der stehen geblieben war, drohte beim kleinsten Windstoß einzustürzen. Puckering nahm sich vor, einige Männer hinzuschicken, um die Trümmer zu beseitigen. Die Leute hatten ganze Arbeit geleistet und umgehend ein Feldlazarett eingerichtet, aber der zerstörte Teil des Krankenhauses würde Ratten anziehen, die sich immer dort herumtrieben, wo menschliches Elend herrschte. Im Hauptteil des Gebäudes waren die weiblichen Verwundeten untergebracht. Puckering entdeckte Lorelei in einer Reihe von Betten auf der überdachten Veranda. Er selbst hatte sie ins Krankenhaus gebracht und sie gleich am nächsten Tag besuchen wollen. Doch man hatte sie gerade auf die Operation vorbereitet. Ihr Gesicht war mit Verbänden umwickelt, und sie lag unter einem einfachen Laken reglos da. Puckering lächelte den anderen Patientinnen zu, die ihn neugierig betrachteten. Dann näherte er sich schüchtern Loreleis Bett. Es war ihm unangenehm, daß sie nicht unbeobachtet waren, und er kitzelte sie am zierlichen Fuß, der unter der Bettdecke hervorlugte. »Lorelei…« Sie antwortete nicht. Besorgt wandte er sich an ihre Bettnachbarin. »Schläft Miss Rourke?« »Glaube nicht«, antwortete die Frau. »Die redet nur mit niemandem.« Also trat Puckering näher und nahm ihre Hand. »Lorelei. Ich bin’s, Puckering. Wie geht es dir?« Sie bewegte die Augen, und er erkannte den Schmerz darin. Doch sie verweigerte immer noch die Antwort und wandte sich ab. »Komm schon«, sagte er mit einem Selbstbewußtsein, das er in Wirklichkeit gar nicht empfand. »Es hat dich ziemlich übel erwischt, aber die Oberschwester hat mir versichert, daß es dir bald besser geht. Wir haben noch viel zu besprechen. Sobald die Stadt wiederaufgebaut ist, können wir wieder ein normales Leben führen. Und du mußt dich um deine Mine kümmern.« Er wählte seine Worte vorsichtig und vermied es, ihre Freunde Trafford und de Lange zu erwähnen. Stattdessen erzählte er ihr, daß das Bijou noch stand, und hielt gerade noch inne, denn beinahe wäre ihm der Satz: »Es hat fast keinen Kratzer abgekriegt«, entschlüpft. Ein ausdrucksloser Blick trat in ihre Augen. Den Mund, der sich rosig von den weißen Verbänden abhob, hielt sie fest geschlossen. Allmählich bekam Puckering das Gefühl, zu stören. In diesem Augenblick kam Sibell über den Rasen gelaufen. Ihr langer schwarzer Rock war mit Schlamm bespritzt. »Colonel, ich hörte, daß Sie hier sind. Schön, Sie zu sehen. Wie geht es Lorelei heute?« »Ich weiß es nicht«, antwortete er hilflos. »Ich habe fast den Eindruck, ihr wäre es lieber, wenn ich gehe.« »Nein, das stimmt nicht«, erwiderte Sibell, als er ihr auf die Veranda half. Sie stellte sich neben Loreleis Bett. »Der Colonel ist hier, um Sie zu besuchen. Die anderen Damen sind schon mächtig eifersüchtig.« Doch Lorelei antwortete nicht, und Sibell beugte sich über sie. »Fühlen Sie sich nicht wohl?« »Doch«, flüsterte Lorelei. »Kann ich etwas für Sie tun?« »Nein«, war wieder das Flüstern zu hören. »Ich arbeite als freiwillige Krankenschwester«, erzählte Sibell dem Colonel. »Und die Oberschwester läßt uns schuften wie Galeerensklaven.« Sie lächelte Lorelei zu. Ganz offensichtlich versuchte sie, sie aufzuheitern. »Wenn wir einen Fehler machen, gibt’s ein Donnerwetter von der Oberschwester. Vielleicht schafft sie es ja, aus mir eine Krankenschwester zu machen. Aber manche Leute sind so anstrengend; ich weiß gar nicht mehr, wo mir der Kopf steht.« Sanft streichelte sie eine von Loreleis blonden Locken, die unter dem Verband hervorlugte. »Der Colonel kann doch nicht den ganzen Tag hier herumstehen. Möchten Sie ihn nicht begrüßen?« Lorelei sah sie an. »Sagen Sie ihm, er soll weggehen.« »Ich glaube, sie ist nur müde«, meinte Sibell entschuldigend. »Morgen geht es ihr bestimmt besser.« »Ich
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