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Weites wildes Land

Titel: Weites wildes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shaw Patricia
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an der Oberfläche, um zu vermeiden, daß er irgendwo hängen blieb, und zwang sich, ganz vorsichtig durch das Wasser zu gleiten, anstatt auf den Baum zuzuschwimmen. Auf keinen Fall wollte er eines der Wassertiere, vor allem die Schlangen, die vermutlich hier lauerten, aufschrecken. Es schien eine Ewigkeit zu vergehen, bis er endlich angekommen war, aber schließlich hatte er es geschafft. Netta, die sich der Gefahr bewußt war, brachte vor Angst kein Wort heraus, doch Wesley kannte solche Hemmnisse nicht. Er streckte Zack sein kleines, sommersprossiges Gesicht entgegen. »Sie wollte mich nicht gehen lassen«, beschwerte er sich. »Sie ist ein böses Mädchen. Jetzt hab’ ich den Weihnachtsmann verpaßt.« Zack lachte. »Wie seine Mutter«, sagte er, und Netta lächelte schwach. Er wollte so schnell wie möglich aus dem Wasser, doch als er versuchte, sich hochzuziehen, bewegte sich der Baum in der Strömung. Er drückte Netta das Beil in die Hand und schlang rasch das Seil um den zerbrochenen Baum. »Fangt an zu ziehen!« rief er zum Ufer hinüber und zerrte am Seil, für den Fall, daß sie ihn nicht gehört hatten. Der Baum ächzte und begann dann seine gefährliche Reise. Als er sich senkte, gelang es Netta, mit Wesley auf den Stamm zu klettern, wo sie einen besseren Halt hatten als an den Zweigen. Nun streckte sie Zack die Hand hin. »Schnell rauf, Boß. Ich halte Sie.« Er fing dann an, sich aus der blätterbedeckten Wasseroberfläche emporzuziehen. Doch im gleichen Augenblick durchzuckte ein schneidender Schmerz seinen rechten Fußballen, fuhr ihm durch den ganzen Körper, bis er wie ein Hammerschlag durch seinen Kopf dröhnte. Für einen Moment konnte Zack nichts sehen, er tastete nach einem Halt, rutschte aber wieder, vor Schmerzen verkrümmt, ins Wasser, als jeder Nerv in seinem Körper aufschrie. Vielleicht hatte er auch wirklich geschrien, er wußte es nicht. Aber Netta hatte ihn bei den Handgelenken gepackt und zog ihn nach oben. Von Schmerzen geschüttelt, konnte er ihr nicht dabei helfen. Allmählich nahmen seine Augen wieder die Umgebung wahr. Über seinem Kopf schien ein finsterer Schatten die Sonne verdunkelt zu haben, und er bemerkte, daß Netta neben ihm ins Wasser geglitten war. Ohne Rücksicht darauf, daß sie ihm mit jeder Berührung Höllenqualen verursachte, schob sie ihn nach oben. Zack war erstaunt, über welche Körperkraft sie verfügte, als sie ihn aus dem Wasser zog und ihn festhielt. Dann verlor Zack das Bewußtsein. Er dachte schon, er sei ertrunken, aber zwei Aborigines-Frauen kauerten neben ihm und kühlten ihm das Gesicht mit einer Flüssigkeit, die stark nach Eukalyptus roch. Dann glaubte er, er habe ein Bein verloren, da er kein Gefühl mehr darin hatte. Unter großer Anstrengung berührte er es, und als er nichts spürte, schrie er auf. Die beiden Frauen beruhigten ihn. »In Ordnung, Boß, alles in Ordnung.« »Wesley?« krächzte er. »Und Netta?« »Denen geht es gut. Und Sie fühlen sich auch bald besser. Verdammte Quallen.« »Ist mein Bein noch da?« fragte er und fühlte sich dabei ziemlich dumm. Sie lachten. Also legte er sich zurück. Ihre Antwort brauchte er nicht mehr zu hören.    
     
    * * *
     
    Netta war erschöpft. Sie übergab Wesley an Polly, die ihn ihr sofort entriß, als ob sie die Retterin gewesen wäre. Bygolly lief los, um Missus Maudie mitzuteilen, daß Wesley in Sicherheit war. Der Boß wurde von zwei alten Frauen versorgt, die die Giftspuren von seinem Fuß und seinem Knöchel wuschen und eine selbstgebraute Tinktur auf die Wunden auftrugen, die wie tiefe, weiße Narben aussahen. Während Zack bewußtlos war, hatten sie seine gute Hose aufgerissen und ihm das rot angelaufene, geschwollene Bein massiert. Jetzt war er wach und schien keine Schmerzen mehr zu haben. Sam Lim kauerte auf dem Boden und sah aus wie ein Sinnbild des Elends. Er hatte Netta erzählt, daß Mr. Wang umgekommen war. Er und noch viele, viele andere. Die Stadt war ausgelöscht worden. Pferde liefen wild herum. Dingos streunten und ernährten sich von Aas. Das alles und noch viel mehr hatte er ihr erzählt, alles über das große Unglück, aber sie war zu müde, um sich noch Gedanken darüber zu machen. Sie legte sich ins feuchte Gras, hatte keine Kraft mehr, sich zu fürchten, keine Kraft mehr für Gefühle. Sie sehnte sich nach ihrer Heimat, denn es gefiel ihr nicht am Meer. Zuviel Lärm. Sie vermißte die Stille des Hinterlandes. Inzwischen konnte sie an Jaljurra denken, ohne daß

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