Weites wildes Land
sich gewöhnlich draußen in seinen Unterschlupf aus Ästen, umgeben von den beiden Dingen, die ihm Trost spendeten: sein Gewehr und die Rumflasche. Manchmal, wenn er dachte, Schwarze würden auf ihn zu kriechen, rannte er, wie von Furien gejagt, den Hügel herab, so daß ihm die Hunde laut bellend folgten, und feuerte in alle Richtungen. Meistens sank er jedoch zusammen wie ein Häufchen Elend, und Josie mußte ihn dann ins Bett schleppen. In der Gegend wurde er bald nur noch der »irre Jack« genannt. Allerdings hieß es auch: »Eins muß man ihm lassen. Er hat die Farm wirklich in Schwung gebracht.« Sie alle wußten aus der eigenen bitteren Erfahrung, daß man nur durch harte Arbeit in diesem Siedlungsland zu Wohlstand kommen konnte: schuften bis aufs Blut, Blasen an den Händen und Rückenschmerzen. Niemand bemitleidete Josie, und auch sie selbst sah keinen Grund dazu. Es gab viele, die schlechter dran waren als sie. Schließlich verprügelte Jack weder Frau noch Sohn, und wenn die Vorstellung, seine Familie zu beschützen, für ihn zu einer fixen Idee geworden war – diese Erklärung hatte Josie sich zurechtgelegt –, dann konnte man ihm das nicht vorwerfen. Hier draußen, so weit entfernt von der nächsten Stadt, hatten die Frauen der Pioniere ganz andere Sorgen, als auch noch über den Ehemann zu klagen. Unfälle waren an der Tagesordnung: Eine Axt konnte abrutschen, ein Pferd durchgehen, Kinder verliefen sich im Busch oder ertranken in scheinbar flachen Wasserstellen – alles mögliche konnte geschehen. Die Frauen behandelten die Bisse von Schlangen und Spinnen und alle möglichen Krankheiten, halfen Kindern auf die Welt und arbeiteten im Haus und auf dem Feld. Einige Frauen beneideten Josie sogar. »Ihr Mann ist wenigstens jede Nacht weggetreten und will nichts von ihr«, flüsterten sie sich zu. Selwyn blieb nicht lange bei den Cambrays, und nicht anders war es mit der Reihe von Schafhütern, die ihm folgten. Sie alle stellten rasch fest, daß mit dieser Stellung auch das Fällen von Bäumen, das Ausheben von Löchern für Pfähle, das Ziehen von Zäunen und das Herausbrechen von alten, abgestorbenen Baumstümpfen mit eisenharten Wurzeln verbunden war. Der irre Jack hielt sie ständig in Trab, und so zogen sie einer nach dem anderen wieder auf und davon. Und wie man ihnen prophezeit hatte, kam und ging Jimmy Moon, wie es ihm beliebte. Er schien die Farm als seine Heimat anzusehen und half bereitwillig bei Arbeiten, die ihm gefielen. Doch eigentlich zog er die Gesellschaft des kleinen Ned vor, und der Junge liebte ihn über alles. Immer wieder hielt Jack Jimmy eine Strafpredigt; er nannte ihn einen faulen Taugenichts und versetzte ihm gelegentlich auch eine Ohrfeige, aber vergebens. Jimmy blieb eher ein Freund der Familie als eine Arbeitskraft, und wegen seiner unverwüstlichen guten Laune gaben sie sich schließlich damit zufrieden. An diesem Tag brachte Josie ihrem Mann das Mittagessen nach draußen, weil sie wußte, daß er wütend auf sie war. Er baute gerade eine Waschstelle für die Schafe, und als er sich aufrichtete, sah sie, daß sein mittlerweile sonnengegerbtes Gesicht schweißüberströmt war. »Du solltest einen Hut aufsetzen«, ermahnte sie ihn. »Sonst kriegst du wieder einen Sonnenstich.« »Diese Schwarzen sind zu nichts zu gebrauchen«, polterte er, während er nach der Kanne mit heißem Tee griff, die sie ihm mitgebracht hatte. »Von Jimmy weit und breit keine Spur«, klagte er. »Diesmal bist du schuld. Wir können nur von Glück reden, wenn wir das Pferd oder den Jungen noch einmal wiedersehen.« »Aber wir mußten es ihm geben«, entgegnete sie. »Was sonst hätten wir tun sollen?« »Der macht mich noch zum Gespött der ganzen Gegend. Einem Schwarzen ein Pferd zu geben!« Er nahm den Deckel vom Kessel und trank einen großen Schluck. Dann wandte er sich ab und starrte bewegungslos den Pfad entlang. Noch nie in seinem Leben hatte er ein so schlechtes Gewissen gehabt. Er hätte selbst losreiten müssen; doch dazu hatte ihm der Mut gefehlt. Er brachte es nicht fertig, freiwillig in das Gebiet der Schwarzen zu reiten, das von den Eingeborenen so standhaft verteidigt wurde – selbst wenn es darum ging, jemanden zu retten. Jimmy hatte ihm die Möglichkeit gegeben, sich zu drücken, und um sein Gesicht zu wahren, hatte er sie ergriffen. Doch mittlerweile vermutete er allmählich, daß Jimmy ihm einen Bären aufgebunden hatte. Vor drei Tagen war der Junge quer über die Weiden auf sie
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