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Weites wildes Land

Titel: Weites wildes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shaw Patricia
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bemerkte er. »Den sehen wir nicht wieder. Es ist ein Jammer, denn wir hätten ihn gut als Führer einsetzen können. Aber so muß ich Ihnen einfach nur die Richtung angeben. Sie kommen schneller voran als ich, Jack. Also fahren Sie besser voraus und bereiten unser Lager für heute Nacht am Budgie Creek vor. Ich stoße dann später zu Ihnen. Lassen Sie die Pferde zur Mittagszeit ausruhen, denn sie haben unter der Hitze mehr zu leiden als unsereins.« Aufmerksam lauschte Jack den Anweisungen, bevor er in die Wildnis aufbrach, die vor ihnen lag. Ein großer Schwarm Kakadus zog lärmend über ihnen dahin; bei ihrem Kreischen hatte man den Eindruck, als würden Todesengel die Ereignisse des Morgens verfluchen. Dann waren die Cambrays allein.    
     
    * * *
     
    Über ihm, mit gebrochenem Genick, hingen sein Onkel – Tarwonga, der Bruder seiner Mutter – und dessen Freund Gabyelli. Für Jimmy war es der schrecklichste Anblick seines Lebens. Er stöhnte auf und taumelte händeringend durch die Menge. Dann faßte er sich ein Herz und machte sich auf die Suche nach seiner Mutter. Sie hatte sich schluchzend an eine Freundin geklammert und zerrte an ihrer geblümten Bluse, als wollte sie alles, was von den Weißen kam, für immer aus ihrem Sinn verbannen. Um ihn herum erhoben sich wütende Stimmen, die jedoch bald wieder in ohnmächtiges Klagen versanken. Seine Mutter warf ihm die Arme um den Hals. Sie war froh, daß ihr Sohn zur Stelle war, als sie ihn brauchte. »Du mußt für uns sprechen«, drängte sie. »Wir wollen unsere Brüder begraben. Jaljurra soll für uns sprechen.« Jaljurra war Jimmys richtiger Name. »Das hat keinen Sinn«, meinten einige ihrer Freundinnen mutlos. »Vor Sonnenuntergang dürfen wir sie nicht abnehmen. So lautet das Gesetz der Weißen.« Einige erwogen flüsternd, Gewalt anzuwenden, doch die Soldaten hielten ungerührt ihre Bajonette auf die Menge der Trauernden gerichtet. Und so ließen sich die meisten nieder und stimmten die Klagelieder an, denn wenn sie bis Sonnenuntergang warten mußten, dann wollten sie auch den ganzen Tag ausharren. Seine Mutter zog ihn zur Seite. Tränen strömten über ihre runden Wangen. »Du mußt sofort zu Nah-keenah laufen. Es waren seine Krieger und nicht unsere Brüder hier, die die Schafhüter getötet haben, also muß er es den Weißen auch heimzahlen. Erzähl ihm, was die Weißen getan haben.« Sie senkte die Stimme. »Aber du darfst dich bei Nah-keenah nicht lange aufhalten, damit dir niemand was vorwerfen kann und sie dich auch noch suchen.« Trotz ihres Kummers lächelte sie grimmig. »Wir bleiben hier zusammen, und heute Abend begraben wir unsere Brüder mit einem großen Fest für die Geister, einem Korrobori. Die Weißen werden zusehen, also kann man uns auch nichts vorwerfen.« Sie stand auf und schwang drohend die Fäuste in Richtung auf die Rotröcke. »Sorge dafür, daß man es ihnen heimzahlt«, befahl sie Jimmy mit zusammengebissenen Zähnen. Ungesehen tauchte er im Busch unter und fiel sofort in einen gleichmäßigen, zügigen Trab. Er durchquerte Weideland, durchwatete Bäche, erklomm bewaldete Hügel und blieb so weit wie möglich im unbewohnten Buschland. Am späten Nachmittag stieß er auf eine Spur, die ihn zum Lager der Eingeborenenfamilie führte. Bei ihnen aß er und erkundigte sich nach dem Aufenthaltsort von Nah-keenah, ohne etwas von seinem Auftrag zu verraten. Als es dunkel wurde, brach er wieder auf und folgte einem Bergkamm oberhalb der Meeresküste. Er rastete nur wenige Stunden. Am frühen Morgen entdeckte er die ersten Hinweise auf Nah-keenahs Volk – hier und da ein Blatt, ein zerbrochener Zweig, alles geheime Zeichen für versteckte Wasserquellen, von denen die Weißen nichts wußten – feuchte Steine, der abgetrennte Kopf einer Schlange, das verlassene Nest einer Eidechse… Nah-keenah befühlte belustigt Jimmys grobe Drillichhosen. »Jucken die?« fragte er. »Nur wenn ein Floh drin sitzt«, erklärte ihm Jaljurra. Dann ließen sie sich nieder und kamen zum geschäftlichen Teil. Umringt von traurigen Gesichtern berichtete Jimmy, was geschehen war. Er erklärte ihnen, wie Erhängen vor sich ging, worüber sie offensichtlich nicht genug erfahren konnten. Dann brach er mit ihrer Erlaubnis wieder auf. Dieser Stamm, das wußte er, würde vor den Weißen nie zurückweichen, und obwohl sie ihn nicht unfreundlich behandelt hatten, verachteten sie die Eingeborenen, die sich für ein Almosen aus der Hand der Weißen hatten

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