Weites wildes Land
als sie war. »Oh!« staunte Josie und suchte verzweifelt nach Worten. »Sie haben sich die Haare geschnitten.« Das Mädchen lächelte. »Ja. Gefällt es Ihnen?« »Aber natürlich. Es ist sehr hübsch.« »Sie waren einfach zu lang, und ich konnte sie nicht allein frisieren. Meine Mutter hat sie mir immer aufgerollt, so in der Art, wie Sie es tragen, und das sah wirklich elegant aus. Aber selbst mit neunzig Haarnadeln bringe ich das nicht allein zustande.« Josie strich sich unsicher über den Kopf. »Wenn man sich erst mal dran gewöhnt hat…«, murmelte sie. Sibell drehte sich hastig um, so daß die Locken flogen. »Finden Sie es nicht vielleicht ein wenig unmodern?« Josie betrachtete die weichen, goldenen Locken, die Sibells Gesicht umrahmten. Ihr fiel keine Frau ein, die ihre Haare je in einer Mähne goldener Locken getragen hatte, aber unzweifelhaft schmeichelte es Sibell. »Nein«, antwortete sie deshalb bestimmt. »Es steht Ihnen sehr gut.« »Oh, fein. Hier hat es nämlich noch niemand zur Kenntnis genommen. Oder sie tun so, als würden sie es nicht bemerken. Aber kommen Sie doch herein. Möchten Sie Mrs. Gilbert vorgestellt werden?« »Nein.« Josie folgte ihr in das weitläufige Wohnzimmer. »Ich wollte Sie besuchen und mich erkundigen, wie es Ihnen so ergangen ist.« »Mir? Das ist sehr freundlich von Ihnen.« Nachdem sie in zwei unbequemen, teuren Sesseln Platz genommen hatten, schwiegen sie verlegen. Josie fühlte sich unwohl. Sie zog sich die Handschuhe aus. »Vielen Dank für Ihren Brief, Miss Delahunty. Ich habe mich gefreut, von Ihnen zu hören, und es tut mir leid, daß ich nicht geantwortet habe. Aber wir hatten so viel zu tun.« Sie sah, daß sich ein Schatten über die graugrünen Augen legte, doch dann stellte sich der gewohnte kühle Blick wieder ein. »Nennen Sie mich Sibell«, sagte sie. »Ich muß mich entschuldigen, denn ich habe völlig vergessen, mich für Ihre Hilfe zu bedanken.« »Ach, herrje! Ich freue mich, daß es Ihnen gut geht. Sie brauchen sich nicht zu bedanken.« »Doch«, widersprach Sibell. Sie stand auf und schloß die Tür. »In Wahrheit stehe ich tief in Ihrer Schuld. Jimmy Moon hat uns gesagt, Sie hätten ihm Lebensmittel gegeben, um uns freizukaufen.« »Aber das zählt doch nicht. Diese paar Kleinigkeiten fallen auf der Farm nicht weiter ins Gewicht.« »Ganz gleich«, fuhr Sibell fort. »Ich hätte Ihnen die Kosten schon längst erstattet, aber ich habe leider kein Geld.« »Nun ja.« Josie lächelte. Doch dann blickte sie Sibell fassungslos ans. »Du meine Güte! Hoffentlich denken Sie nicht, ich wäre wegen des Geldes zu Ihnen gekommen. Auf den Gedanken wäre ich nie verfallen. Ich wollte lediglich nach Ihnen sehen, Sibell. Sie haben eine schwere Zeit hinter sich. Aber anscheinend haben Sie das Schlimmste überwunden, und deshalb möchte ich Ihnen nicht weiter Ihre kostbare Zeit stehlen.« Josie stand auf, da sie den Eindruck hatte, daß ihr Besuch falsch aufgenommen worden war. Doch Sibell blieb sitzen und betrachtete gedankenverloren das Muster im Teppich. »Geht es Ihnen nicht gut, Sibell?« fragte Josie von der Tür. Doch sie bekam keine Antwort. »Sollte ich mich vielleicht mal mit Mrs. Gilbert unterhalten?« Dieser Name brachte Sibell in die Wirklichkeit zurück. »Nein. Ich will sie nicht sehen. Ich hasse sie.« Josie nickte. Etwas Ähnliches hatte sie schon erwartet. Logan konnte die Gilberts auch nicht leiden. »Dann erzählen Sie mir wohl besser, was hier vorgeht.« Sie kehrte zu ihrem Sessel zurück und lauschte, während Sibell ihr von dem Leben bei den sogenannten Freunden berichtete. »Was soll ich nur tun?« fragte das Mädchen schließlich. »Ich stecke hier in der Falle.« »Ich weiß es nicht«, entgegnete Josie. »Ich muß darüber nachdenken. Aber alle Achtung, Sie tragen Ihre Lage wirklich mit Fassung.« »Wie meinen Sie das?« »Wenn man bedenkt, was Sie alles erlebt haben, kann man Sie für Ihre Haltung nur bewundern: Sie erzählen mir hier von Ihrer unangenehmen Lage, ohne auch nur eine einzige Träne zu vergießen.« »Vielen Dank, aber ich weine nicht. Ich will mich von den Gilberts nicht unterkriegen lassen.« »Das ist tapfer. Wußten Sie, daß Mr. Conal Ihnen seine Aufwartung machen wollte? Da er Sie nicht sehen durfte, sendet er Ihnen seine Grüße.« »O ja, das gehört auch noch dazu. Margot Gilbert ist so furchtbar mißtrauisch. Sie denkt, zwischen ihm und mir wäre etwas vorgefallen. Ist das nicht schrecklich? Na, ich bin froh,
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