Weites wildes Land
insbesondere das Frühstück, das sie normalerweise eilig hinunterschlang, serviert zu bekommen. Dieses Vergnügen wollte sie jetzt ausgiebig auskosten. Sie mußte zugeben, daß Mrs. Bolton ein reichhaltiges, wohlschmeckendes Frühstück servierte, das aus Porridge und dem üblichen Grillteller mit Lammkoteletts, gebratenen Innereien und Schinken, zusammen mit Toast und Worcestersoße bestand. Nach solch einer üppigen Mahlzeit würde ihr ein Spaziergang zum Haus der Gilberts in der Wellington Street nur gut tun. Sie holte den Zettel, den Logan ihr gegeben hatte, heraus und studierte den grob skizzierten Straßenplan, während sie ihren Tee trank. Aber sofort schweiften ihre Gedanken zu Logan ab. Er war wirklich charmant, und es schmeichelte ihr, daß er sie als eine Freundin betrachtete, was ihr in diesen Tagen nicht oft widerfuhr. Josie hatte nicht gewagt, Jack von seiner Einladung zu erzählen. So, wie die Dinge standen, würde er ohnehin ablehnen, oder, schlimmer noch, er würde annehmen und dann betrunken erscheinen. Und einen Streit mit Jack in Logans Gegenwart hätte sie nicht ertragen können. Aus diesem Grunde hatte sie Jack nicht einmal berichtet, daß Logan seine Aufwartung gemacht hatte. Warum auch? Schließlich erzählte Jack ihr auch nichts, sondern ging einfach seiner eigenen Wege und geriet dabei mit Gott und der Welt in Streit. Von Mrs. Hamilton wußte er ebenfalls nichts. Josie fragte sich, ob sie am Nachmittag noch einmal ins Royal Perth Hotel gehen sollte. Mrs. Hamilton hatte ihr ja erzählt, daß sie täglich dort war. Aber besser, sie ließ es sein, denn womöglich hielt sie Josie sonst noch für aufdringlich.
* * *
Der Wind fuhr Josie unter die Röcke und trieb gelben Staub über die sandige Straße, als sie sich, tief gebeugt und ihren Hut mit der Hand festhaltend, zum Haus der Gilberts vorankämpfte. Ein Hund stürzte von einem Grundstück auf sie zu und schnappte nach ihren Fersen, doch sie verscheuchte ihn mit einem Fußtritt, wobei sie hoffte, daß ihr niemand dabei zusah. Sie war nicht sicher, ob sie das Richtige tat, und in ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Die Gilberts konnten ihr gestohlen bleiben! Aber was war, wenn Miss Delahunty sie nicht zu sehen wünschte? Sie hätte sich lächerlich gemacht, und dazu würden die Gilberts sicher gleich bemerken, daß sie den ganzen Weg zu Fuß zurückgelegt hatte. Und wie um ihre niedrige Stellung zu betonen, rollte eine Kutsche vorbei. Die Pferde nickten hochmütig mit den Köpfen, und der Kutscher musterte sie mit ausdruckslosem Blick. Josie war noch nie in einer Kutsche gefahren. Man mußte bestimmt sehr reich sein, um sich eine eigene Kutsche leisten zu können, denn schließlich wollten nicht nur die Pferde versorgt, sondern auch der Kutscher bezahlt werden. Es mußte ein wunderbares Gefühl sein, wenn man eine Kutsche sein eigen nannte. Die ersten Regentropfen fielen in den Staub, und sie sah, daß sich am Himmel die Wolken zusammenballten. Normalerweise war dies ein willkommener Anblick, doch jetzt kam es ihr ungelegen, denn sie hatte keinen Regenschirm bei sich. Ein Stückchen vor ihr schnitt ein Mann eine Hecke. »Entschuldigen Sie bitte«, sagte sie. »Können Sie mir sagen, wo die Gilberts wohnen?« »Fünf Häuser weiter«, antwortete er. »Sie können es gar nicht verfehlen, es ist nämlich das Grundstück mit der Einfassungsmauer. Aber Sie beeilen sich wohl besser, meine Dame«, meinte er grinsend. »Gleich regnet es nämlich wie aus Kannen.« »Vielen Dank«, sagte Josie, die am liebsten losgelaufen wäre, weil der Regen bestimmt ihren Hut ruinieren würde. Doch wichtiger war, daß sie sich in dieser vornehmen Umgebung nicht lächerlich machte. Glücklicherweise schaffte sie es bis zur Auffahrt und Veranda des großen Sandsteinhauses, bevor der Regen einsetzte. Nachdem sie noch einmal tief Luft geholt hatte, betätigte sie den Messingklopfer. Sibell öffnete ihr die Tür höchstpersönlich. Hastig knöpfte sie sich die Schürze ab. »Mrs. Cambray«, rief sie aus. »Was machen Sie denn hier?« Josie verlor für einen kurzen Augenblick die Fassung. Nicht nur, daß sie erwartet hatte, von einem Hausmädchen eingelassen zu werden, auch Miss Delahunty sah ganz anders aus als das jämmerliche Geschöpf, das damals in ihr Haus gestolpert war. Selbst in diesem einfachen Rock und der schlichten Bluse wirkte sie elegant! Und sie war schön! Der unverwechselbare Blick der oberen Zehntausend ließ sie größer wirken,
Weitere Kostenlose Bücher