Weites wildes Land
Geldquelle hatte er noch nicht gefunden. So etwas konnte man schließlich nicht geradeheraus fragen. Auch er hatte sich auf dünnem Eis bewegt, bis alle ihm seine Geschichten als selbstverständlich abgenommen hatten. Sein neuer Name gefiel ihm: »Conal« war der Vorname seines Großvaters, und »Logan« verdankte er einem Geistesblitz Sibell zuliebe. In seinen Ohren klang Logan Conal ehrlich, offen und rechtschaffen, wenn man das überhaupt von einem Namen behaupten konnte. Daß man ihn und die anderen Überlebenden in Perth gefeiert hatte – insgesamt waren nur sechzehn von hundertdreißig Passagieren übrig geblieben –, hatte ihm ein Gefühl von Wichtigkeit gegeben. Er hatte die Behörden darauf aufmerksam gemacht, daß Taffy und Jimmy ebenfalls durchgekommen, aber in die falsche Richtung losmarschiert waren. Man hatte ein Boot losgeschickt, um die Küste im Norden abzusuchen, doch bislang schien es, als hätten sie sich in Luft aufgelöst; einige munkelten, sie wären wohl den Speeren der Eingeborenen zum Opfer gefallen. Logan war enttäuscht, daß Sibells Eltern nicht überlebt hatten, denn ihren Worten nach waren sie reich. Sicherlich hätten sie ihn für die Rettung ihrer Tochter belohnt. Zwar war er – in der Hoffnung, daß sie sich großzügig zeigen würden – bei den Gilberts vorstellig geworden, doch damit hatte er kein Glück gehabt. Diese Geizhälse hatten ihm nur die kalte Schulter gezeigt. Wie er schon beim Sturm auf das Rettungsboot geahnt hatte, hatten nur wenige der Passagiere aus dem Zwischendeck überlebt, und die kannten ihn glücklicherweise nicht. Deswegen konnte er nun tun, was ihm gefiel, ohne sich vor jedem Polizisten fürchten zu müssen. Logan, der inzwischen das Gefühl hatte, daß sich sein Schicksal bald wenden würde, war in großzügiger Stimmung und bestellte noch eine Runde. Blackburns Frage ließ er einstweilen unbeantwortet. Als er gehört hatte, daß das Landvermessungsamt noch Leute suchte, hatte er sich ohne zu zögern als ausgebildeter Landvermesser vorgestellt, denn wegen des Schiffbruchs konnte niemand von ihm erwarten, daß er Papiere und Zeugnisse vorlegte. Da er eine kurze Zeit als Sträfling beim Straßenbau in County Armagh gearbeitet hatte, wußte er genug, um erst einmal einen Fuß in die Tür zu bekommen. Später hatte es ihm keinerlei Schwierigkeiten bereitet, heimlich ein paar Bücher aus dem Büro mitgehen zu lassen und nachzulesen, woraus die Arbeit eines Landvermessers eigentlich bestand. Allerdings wunderte es ihn noch immer, daß seine Ansichten, die zum Großteil auf Vermutungen beruhten, hingenommen wurden wie das Evangelium. Die Leute in den Kolonien waren, wie er feststellte, wirklich ziemliche Einfaltspinsel. Er würde es in Australien noch weit bringen. Inzwischen wurde Blackburn ungeduldig. »Also, was halten Sie davon, Mr. Conal?« »Ich weiß nicht«, antwortete Logan, wobei er so tat, als ließe er nur Vorsicht walten. »Dann überlegen Sie sich’s«, meinte Tommy Blackburn, der nicht so schnell lockerließ. »Denken Sie nochmals darüber nach.« Als sie das Wirtshaus verließen, gab Logan sich entrüstet. »Du hast Bestechungsgelder angenommen!« warf er Charlie vor. »Das ist aber nicht sehr höflich. Ich denke nur praktisch. Hier in dieser gottverlassenen Gegend gibt es nur zwei Sorten Leute: Sieger und Verlierer. Wenn ich mal nach Hause zurückkehre, reise ich erster Klasse; was du tust, ist deine Angelegenheit. Nun mach nicht so ein Gesicht, alter Junge. Du siehst ja aus, wie zehn Tage Regenwetter.« In den nächsten beiden Wochen befaßte sich Logan aufmerksam mit den geschäftlichen Gepflogenheiten in Perth. Er stellte fest, daß die meisten Männer in den Schenken begeistert auf der Seite der Squatter waren, und die Buschräuber, die reiche Reisende oder Banken überfielen, wurden wie Helden verehrt. Außerdem fand er Beweise dafür, daß reiche Siedler durch Strohmänner, die man »Hamster« nannte, viel mehr Land aufkauften, als ihnen eigentlich zustand. Und er ahnte, daß es zu einem Verteilungskampf um das Land kommen würde, je weiter die Siedlungsgrenzen ins Land vorrückten. Auf der müden, alten Mähre, die ihm das Amt zur Verfügung gestellt hatte, ritt er durch die Stadt und versah seine Pflichten. Aufmerksam hörte er zu, wenn ehemalige Sträflinge ein Loblied auf ihre Pferde sangen, denn ein gutes Pferd war mehr wert als eine Frau. Die Vorzüge von Vollblütern, Arabern und Wildpferden wurden in allen Einzelheiten
Weitere Kostenlose Bücher