Weites wildes Land
eilte davon. Während sie wartete, näherte sich ihr ein junger Schwarzer. »Guten Tag, Missibel«, flüsterte er schüchtern. Im ersten Augenblick sah Sibell ihn nur verständnislos an, doch dann fiel ihr ein, wer er war. »Ach, Jimmy Moon! Du bist doch Jimmy?« Er nickte und grinste übers ganze Gesicht. »Wie geht es dir?« »Gut.« »Ich habe dich nicht vergessen«, sagte Sibell. »Es war sehr tapfer von dir, daß du gekommen bist, um uns zu holen.« »Gute Arbeit«, stimmte er ihr mit einem Lächeln zu. »Und Sie reiten gut. Mr. Conal hat noch nie im Leben so rennen müssen.« Kichernd erinnerte sich Sibell, wie Logan sich angestrengt hatte, um mit Jimmy Schritt zu halten. Er hatte sich geweigert, sich zu ihr aufs Pferd zu setzen, um ein wenig zu verschnaufen. Aber das hatte sie ihm ohnehin nur halbherzig angeboten. »Was ist denn hier los?« fragte sie. »Mr. Conal nimmt uns alle mit auf einen Ausflug. Ich reite wieder auf einem Pferd«, sagte er stolz. »Hast du denn eins?« erkundigte sie sich. Bei einer nächtlichen Rast hatte er ihr erzählt, er werde »irgendwann später« ein eigenes Pferd bekommen. Er machte ein trauriges Gesicht. »Nein, diese Pferde gehören alle den weißen Herren.« »Mach dir nichts draus«, sagte sie fröhlich. Heute fühlte sie sich, als gäbe es für sie keine Grenzen mehr. »Eines Tages kaufe ich dir ein Pferd.« »Ganz für mich allein?« »Ja.« Jimmy machte einen Luftsprung. »Was für ein schöner Tag!« »Was sehen meine Augen?« Auf einmal stand Logan Conal vor ihr und betrachtete sie bewundernd. Freudig überrascht bemerkte Sibell, wie sehr er sich verändert hatte. Er sah so stattlich und männlich aus in seinem karierten Hemd, den weißen Lederhosen und den braunen Reitstiefeln. Die dunklen Locken fielen ihm in die Stirn. Sibell warf einen Blick auf die grünen Augen, die sie immer für hart und böse gehalten hatte. Doch nun funkelten sie vergnügt. Sie riß sich zusammen. »Guten Morgen, Mr. Conal.« »Wir haben schon Nachmittag«, meinte er grinsend. »Und wie geht es Ihnen, Sibell?« »Sehr gut, danke. Ich sehe, daß Sie packen. Wohin geht es denn?« »In den Busch. Wir müssen Vermessungsarbeiten durchführen.« »Wie aufregend. Wann brechen Sie auf?« »Gleich morgen früh; deswegen sieht es hier jetzt auch aus wie in einem Warenlager. Wir müssen eine Unmenge an Ausrüstung mitnehmen.« »Und wie lange bleiben Sie fort?« »Vermutlich einige Monate.« »Oh!« Sibell war enttäuscht. »Nun, ich sehe, Sie sind beschäftigt. Ich möchte Sie nicht länger aufhalten.« Er begleitete sie zur Straße. »Und was haben Sie heute noch vor?« fragte er. »Ich habe eine Menge zu erledigen«, antwortete sie. »Einkäufe und verschiedene andere Kleinigkeiten.« Forschend sah er sie an. »Geht es Ihnen wirklich gut, Sibell?« Sie hatte schon mit dem Gedanken gespielt, ihn zu bitten, Ihr Geld zu leihen, damit sie nicht ständig von Margot abhängig war. Wenigstens ein Mittagessen in einem Gasthaus wollte sie sich leisten können. Doch sie brachte es nicht über sich, zu fragen. Aber Logan schien ihre Gedanken gelesen zu haben. »Haben Sie schon zu Mittag gegessen?« »Ja, vielen Dank«, antwortete sie viel zu rasch und hätte sich dafür am liebsten selbst geohrfeigt. Vor lauter Stolz hatte sie sich jetzt die Möglichkeit verdorben, mehr Zeit mit ihm zu verbringen. »Nun dann«, sagte er zum Abschied. »Ich besuche Sie, wenn ich zurückkomme. Hat Josie Ihnen erzählt, daß ich Sie aufgesucht habe?« »Ja. Aber kümmern Sie sich nicht um sie, um die Gilberts, meine ich. Schließlich bin ich nicht ihr Eigentum.« »Gut für Sie. Passen Sie auf auf sich, Sibell. Um Ostern herum komme ich wieder; dann besuche ich Sie.« Der Tag schien seinen Glanz verloren zu haben, als Sibell ihre Pakete abholte und zurück in die Wellington Street ritt. Einerseits war sie froh, daß sie ihn besucht hatte, aber andererseits blieb ein bitterer Beigeschmack zurück. Sie konnte nur noch an Logan denken, sein breites Lächeln, seine ungewöhnliche Freundlichkeit. Ganz sicher mochte er sie, und deswegen lag für sie ein Schatten über ihrer heutigen Begegnung mit ihm. Sie hatte den wirklichen Logan Conal entdeckt, und morgen würde er Perth verlassen. Was sie für ihn empfand, war mehr als reine Freundschaft – in ihren Augen war er der stattlichste Mann, den sie jemals kennen gelernt hatte. Und daß er sich Sorgen um sie machte, mußte doch etwas zu bedeuten haben. Logan verstand sie, er würde sich
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