Weites wildes Land
gesagt sein, ein Mann, der sich in seiner Ehre gekränkt fühlt, ist schlimmer als jede Frau…« Sibell knirschte mit den Zähnen. »Das können sie mir nicht antun.« »Dann versuchen Sie, Zeit zu gewinnen«, meinte Lena. »Sie dürfen nicht untergehen; also spielen Sie das Spiel mit. Vielleicht ergibt sich ja noch eine andere Lösung.« Lächelnd blickte Sibell auf. »Sie haben recht; vielleicht ergibt sich ja noch etwas anderes.« Sie umarmte Lena. »Sie sind ein Schatz! Das mach’ ich, ich tu’ einfach so, als wäre ich einverstanden.« Lena stieß einen Seufzer aus. »Am Anfang kommen Sie damit wahrscheinlich noch durch, aber ich meine immer noch, daß Sie in den sauren Apfel beißen sollten. Dann werden alle in der Stadt vor Ihnen Respekt haben.« »Das werden sie auf jeden Fall«, lachte Sibell. Sie war sich ihrer selbst sicher und vertraute auf Logan.
* * *
»Ihre Freundschaft bedeutet mir sehr viel, Miss Delahunty«, murmelte Ezra und fuhr sich mit dem Finger unter den gestärkten Kragen, um die eingeklemmten Fettwülste zu befreien, die sich zusehends röteten. Seit die Gilberts sich zurückgezogen und ihn seiner Mission überlassen hatten, fühlte er sich nicht gerade wohl in seiner Haut und rutschte unruhig herum. Sibell für ihren Teil hatte nicht die geringste Lust, ihm die Sache leichter zu machen. »Wir beide haben viel gemeinsam durchgemacht«, fügte er hinzu. Gemeinsam war ja wohl nicht ganz richtig, dachte Sibell und starrte das sehr geschmeichelte Porträt von Percy Gilbert über dem Kamin an. »Ich frage mich«, fing Ezra an, »ob…« Er zog sein Taschentuch heraus und wischte sich den Schweiß von der Oberlippe. »Ob Sie vielleicht…« O nein, dachte Sibell. Zeit gewinnen würde wohl kaum möglich sein. »Ob Sie vielleicht Lust haben, mich zum Rennen zu begleiten?« platzte Ezra heraus. »Am nächsten Samstag. Ich bin Mitglied des Reitsportvereins, und ich versichere Ihnen, daß Sie sich amüsieren werden.« »Aber selbstverständlich, Ezra. Ich würde sehr gern zum Pferderennen gehen. Da Mr. und Mrs. Gilbert bislang noch nicht daran gedacht haben, mich einzuladen, ist es mir ein ganz besonderes Vergnügen.« »Großartig.« Er lächelte erleichtert und faßte wieder Mut. »Also abgemacht.« Er suchte etwas in seiner Westentasche. »Übrigens habe ich hier ein kleines Geschenk für Sie; nur einen Kettenanhänger, aber er war so hübsch, daß ich gleich an Sie gedacht habe.« »Ein Geschenk! Ich liebe Geschenke!« Sibell klappte die rote Samtschatulle auf und betrachtete den Anhänger und die Kette. »Wie wunderschön! Ist er aus Gold?« »O ja, und der Stein in der Mitte ist ein Rubin.« »Ezra, er ist wunderbar«, jubelte Sibell und fragte sich dabei, wieviel das Schmuckstück wohl wert war. »Aber ich habe doch erst nächste Woche Geburtstag.« »Sie haben Geburtstag? Oh, das wußte ich ja gar nicht.« Er strahlte. »Für Ihren Geburtstag müssen wir uns etwas ganz Besonderes ausdenken.« »Du meine Güte, nein, das ist doch nicht nötig«, widersprach sie. »O doch, meine Liebe, denn ich möchte, daß wir beide sehr gute Freunde werden.« Sibell lief zum Spiegel, um sich die Kette umzuhängen. Wie schön wäre es gewesen, wenn er sich jetzt verabschiedet hätte! Aber er stand ganz dicht hinter ihr. »Die Wahrheit ist«, sagte er, während er ihr Spiegelbild betrachtete, »daß ich bis über beide Ohren in Sie verliebt bin, meine Liebe. Ich möchte, daß Sie meine Frau werden.« Sibell versuchte, Überraschung vorzuspiegeln. »Oh, Ezra, darauf wäre ich im Traum nicht gekommen.« »Hat Percy nicht mit Ihnen über mich gesprochen?« fragte er, wobei er ihr ins Genick schnaufte. »Nein, hat er nicht.« Sie rutschte von ihm ab, aber Ezras Hände fuhren unbeholfen über ihren Körper und umfaßten ihre Brüste. »Nicht!« rief sie aus und riß sich los. »Sie vergessen sich, Sir.« »Oh«, meinte er mit zitternden Händen. »Vergeben Sie mir. Aber ich habe mit Percy gesprochen, und er hat uns seinen Segen gegeben. Ich muß eine Antwort haben: Wollen Sie mich heiraten?« »Nun, ich werde darüber nachdenken, Ezra. Es ist ja so freundlich von Ihnen.« Sie flüchtete sich in einen Sessel. »Sie werden nur das Beste vom Besten bekommen«, sprach er weiter. »Ich baue gerade ein prächtiges Haus am Fluß. Abgesehen von meinem Gehalt bin ich auch sonst vermögend. Die Frau, die mich heiratet«, fuhr er fort, wobei er mit ihr redete, als sei sie ein kleines Kind, »geht einer
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