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Weites wildes Land

Titel: Weites wildes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shaw Patricia
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Lorelei Rourke geteilt – es hätte auch schlimmer kommen können, hatte Sibell sich gedacht, und sich deshalb besondere Mühe gegeben, höflich zu sein. Allerdings machte Lorelei einen ziemlich gewöhnlichen Eindruck auf sie. Sie sprach Londoner Gossenjargon und trug billige, geschmacklose Kleider. Allerdings war sie erstaunlich selbstbewußt und eine fröhliche Begleiterin. Mit ihrem Witz und ihrer Schlagfertigkeit brachte sie alle zum Lachen. Ständig fischte sie ihren Mitreisenden Unmengen entsetzlicher Lügengeschichten auf, mit denen sie so achtlos herumwarf wie ein Jongleur, der von seinem Handwerk nicht viel versteht. Wie sie Sibell erzählte, befand sie sich auf dem Weg nach Palmerston, um dort ein kleines Geschäft zu eröffnen, doch ihre verschiedenen Berichte, wie sie angeblich nach Perth gekommen war, widersprachen sämtlichen Gesetzen der Logik. Überraschenderweise schien sich niemand daran zu stoßen, denn ihre Anekdoten waren so unterhaltsam, daß sie ihre Zuhörer – selbst den Colonel – immer wieder zum Lachen brachte. Aber manchmal konnte sich Sibell des Gedankens nicht erwehren, daß Lorelei nicht das kleine Dummchen war, für das sie sich ausgab. Nicht, daß das jetzt noch von Bedeutung gewesen wäre, denn ihre Wege würden sich ohnehin bald trennen. »Sind wir denn hier in China?« wollte Lorelei verblüht wissen, und Sibell stellte sich die gleiche Frage. Überall wimmelte es von Chinesen; zu Hunderten füllten sie in schwarzen oder blauen Anzügen und mit breiten, nach oben hin spitz zulaufenden Hüten die Straßen. Am Rücken hatten sie einen dünnen Zopf baumeln. »Sieht fast so aus«, meinte Puckering, nahm Sibell beim Arm und verscheuchte ein paar hartnäckige Chinesen, die den Neuankömmlingen ihre Waren verkaufen wollten. Mit Tabletts voller Perlen und anderen exotischen Schmuckgegenständen drängten sie sich um die Reisenden und boten Hüte, Sonnenschirme, Seidenballen und sogar Päckchen mit stark gewürzten Speisen feil. Es herrschte ein unglaublicher Tumult, da alles durcheinander schrie. Der Colonel trug die neue hochgeschlossene schwarze Uniform aus schwarzem Serge mit silbernen Knöpfen, und an seiner spitzen Mütze prangte das Abzeichen seines Ranges. Doch anstatt die fliegenden Händler abzuschrecken, zog die Uniform sie offenbar eher an. In der Menge befanden sich auch einige hübsch gekleidete Frauen, die Gattinnen einiger Angestellter des Telegraphenamtes, wie Michael erklärte. Er ging rückwärts vor Sibell her, damit er sie im Begrüßungsrummel nicht aus den Augen verlor. Manche Männer waren mit weißen Anzügen und Tropenhelmen ausstaffiert, aber die meisten waren schäbig gekleidete, ungehobelte Burschen, die den Mädchen nachjohlten. Als sie den Gipfel des Hügels erreichten, hatten die Kulis, die das Gepäck an Bambusstangen trugen, sie schon überholt. Sibell blieb stehen, um die Stadt zu betrachten. So weit das Auge reichte, schien das Land eben, und vor ihnen erstreckte sich eine lange, gerade Straße, die von verstreut stehenden, einstöckigen Häusern gesäumt wurde. Manche waren aus Sandstein gebaut, andere bestanden aus Holz, doch dazwischen standen immer wieder Bretterbuden und Zelte, eine staubige Ansammlung, genau so merkwürdig wie die Bewohner dieser Gebäude. Aus den Bäumen stieg ein feuchter Dunst auf. Ihr kräftiges Grün, immer wieder von scharlachroten Blüten unterbrochen, verlieh den Häusern erst das Aussehen einer zusammenhängenden Stadt, und der tropische Duft stieg den Reisenden in die Nase. Wie willkommen war er ihnen nach den langen Wochen an Bord des Schiffes! Der Himmel lag über ihnen wie eine dichte, graue Decke, und die feuchtwarme Luft ließ ahnen, wie heiß die Sonne in Wirklichkeit war, die sich im Augenblick hinter den Wolken verbarg. Sibell platzte fast vor Aufregung. Jetzt war sie also in den Tropen, tatsächlich in den Tropen, im Land der Abenteuer, und sie hatte sogar schon Freunde gefunden. Hier würde sie nicht einsam sein. Michael, John und der allgegenwärtige Colonel begleiteten die Damen ins Prince of Wales Hotel, wo Lorelei Quartier nehmen wollte, bis sie eine ständige Bleibe gefunden hatte. Unter baufälligen Vordächern schlenderten sie die Straße entlang und erwiderten den Gruß der neugierigen Männer, die im Schatten saßen, und der Trinker, die vor dem Hotel herumstanden. Am Haupteingang hing ein Schild, das kühn »Das beste Essen, die besten Betten, die besten Biere und Spirituosen, Ställe und

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