Weites wildes Land
von einem Laden zum nächsten gepilgert wie die braven Arbeitssklaven.« Sam Lim brachte eine Flasche Bier und zwei Gläser auf einem Tablett herein, und Zack stürzte das erste Glas sofort hinunter. »Jetzt geht es mir besser«, verkündete er. »Was ist mit den Pferden?« wollte Charlotte wissen. »Habt ihr sie alle verkauft?« »Ohne Schwierigkeiten. Zu Spitzenpreisen. Das Geld habe ich auf der Bank hinterlegt, und ich habe diesmal sogar daran gedacht, den Beleg mitzubringen.« Er beugte sich über den Tisch. »Und wie ist es dir ergangen?« »Mir? Ich habe mich niemals wohler gefühlt.« »Freut mich, das zu hören. Und wie steht's mit deinen Augen?« »Ach, die sind in Ordnung, solange ich die Tropfen nehme, die der Arzt mir gegeben hat.« »Meinst du den Augenarzt in Perth?« »Ja«, gab sie zu. »Nur an staubigen Tagen muß ich mich vorsehen.« »Mutter«, sagte Zack, und diese Anrede bedeutete, daß ein ernstes Gespräch bevorstand. »In den nächsten sechs Monaten wird es jeden Tag staubig sein. Meinst du nicht, daß du uns einweihen solltest?« »Einweihen?« »Wegen deiner Augen. Werden sie besser oder nicht?« Charlotte zögerte und antwortete dann: »Nein.« »Nun, das war doch gar nicht so schlimm. Es tut mir leid, wir sind ganz schön erschrocken, als wir es erfahren haben, und für dich muß es ein noch viel größerer Schreck gewesen sein. Aber mach dir keine Sorgen. Wir sind immer für dich da, und du wirst schon damit fertig, ganz so, wie sonst.« »Ich weiß, Zack, inzwischen habe ich mich an die Vorstellung gewöhnt. Aber, wie zum Teufel, seid ihr dahinter gekommen?« »Ah«, sagte er, »jetzt kommen wir zur nächsten wichtigen Neuigkeit. Wir haben unterwegs deine Sekretärin kennen gelernt.« »Wen?« »Miss Delahunty.« »Wer ist denn das?« Nun war Zack verblüfft. »Willst du etwa sagen, daß du sie gar nicht kennst?« »Nein«, antwortete Charlotte. »Mein Gott!« rief er aus. »Sie ist mit Maudie auf dem Weg hierher. Deswegen ist Maudie mit dem Schiff gefahren, obwohl sie überhaupt keine Lust dazu hatte. Deine Sekretärin kann zwar reiten, aber sie paßt nicht in den Busch. Sie ist sehr britisch!« Charlotte war erstaunt. »Ich begreife das alles nicht.« »Dann überleg mal. Erinnerst du dich noch an diese Dame, mit der du korrespondierst, Mrs. Cambray?« »Ja.« »Hast du ihr nicht erzählt, daß du daran denkst, eine Sekretärin und Gesellschafterin einzustellen, damit sie dir hilft, wenn deine Augen schlechter werden?« »Ja, mit diesem Gedanken habe ich gespielt.« »Jetzt ist aus dem Gedanken Wirklichkeit geworden. Mrs. Cambray hat geliefert.« »Du meine Güte, warum hat sie es mir nicht mitgeteilt?« »Das Mädchen hat dir selbst geschrieben. Aber offenbar ist sie nicht besonders helle. Sie ist auf dem gleichen Schiff gereist wie ihr Brief.« »Und Maudie bringt sie jetzt mit?« Charlotte war entgeistert. »Was hätten wir denn sonst tun sollen? Sie hat im Prince of Wales Hotel nach dir gefragt. Und sie hat darauf bestanden, selbst mit dir zu sprechen. Wir konnten sie ja schlecht zurücklassen.« Als er das erstaunte Gesicht seiner Mutter sah, fing er an zu lachen. »Ich schätze, daß sie zu Fuß gegangen wäre, wenn wir sie nicht mitgenommen hätten. Wie dem auch sei, du kannst dich ja einmal mit ihr unterhalten, und wenn du sie behalten willst, ist das deine Sache. Wenn nicht, muß sie eben hier warten, bis ich jemanden auftreiben kann, der sie wieder nach Palmerston bringt.« Charlotte war neugierig. »Wie alt ist sie?« »Ich weiß nicht, vielleicht neunzehn. Bist du dir sicher, daß du das nicht alles eingefädelt hast?« »Ganz sicher«, antwortete Charlotte. »Aber irgendwann muß ich ja damit anfangen, und wenn sie geeignet ist, kann ich ihr die Buchführung erklären und ihr beibringen, was sie tun soll. Aber eigentlich habe ich mir eine ältere Frau vorgestellt; eine vom Land.« »Und jetzt hast du genau das Gegenteil bekommen«, grinste er, trank sein Bier aus und rappelte sich müde auf. »Ich nehme jetzt ein Bad.« Er ging hinaus. Aber dann streckte er noch einmal den Kopf durch die Tür. »Übrigens, Mutter, ich glaube nicht, daß deine neue Freundin unbedingt Maudies Fall ist.« Und unter lautem Gelächter zog er sich zurück. »Das wäre ja nicht das Schlechteste«, sagte Charlotte zu sich. Sie fand Cliffs Ehefrau manchmal recht anstrengend, weil sie so rasch beleidigt war. Obwohl Charlotte sie freundlich aufgenommen hatte, fühlte sich Maudie in diesem Haus nicht
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