Weizenwampe
erhöhten Nüchternzucker, gestörte Glukosetoleranz und metabolisches Syndrom zu erkennen gibt, in den Startlöchern. In Amerika gelten – je nach Definition – unglaubliche 22 bis 39 Prozent aller Erwachsenen als Prädiabetiker; in Deutschland zählen zu dieser Gruppe elf Prozent der 35- bis 59-Jährigen beziehungsweise 16 Prozent der 54- bis 74-Jährigen. 10, 11
Wenn Sie nun noch die Menschen berücksichtigen, die nicht das Vollbild des Prädiabetes aufweisen, sondern nur hohe Zuckerwerte nach den Mahlzeiten, hohe Triglyzeride und kleine LDL-Partikel sowie eine gewisse Insulinresistenz – und auch dies kann bereits Herzerkrankungen, Erblindung, Nierenprobleme und natürlich Diabetes einleiten –, gibt es am Ende kaum noch Menschen, die nicht in diese Gruppe fallen, nicht einmal die Kinder.
Bei Diabetes geht es keineswegs nur darum, dass man dick ist und Medikamente braucht, sondern um schlimme Folgeerkrankungen wie Nierenversagen (in zwei von fünf Fällen geht Nierenversagen auf Diabetes zurück) und amputierte Gliedmaßen (wegen Diabetes werden mehr Gliedmaßen amputiert als wegen jeder anderen, nicht-unfallbedingten Krankheit). Das Thema ist also wirklich ernst.
Dieses Phänomen ist erschreckend modern – die Demokratisierung einer bisher eher unbekannten Krankheit. Und der verbreitete Rat, sie aufzuhalten? Mehr Bewegung, weniger naschen … und mehr »gesundes Vollkorn«.
Bauchspeicheldrüse unter Beschuss
Die explosionsartige Zunahme von Diabetes und Prädiabetes entspricht dem Zuwachs bei Übergewicht und Adipositas.
Korrekterweise sollte man allerdings sagen, dass dieser Anstieg weitgehend durch das zunehmende Übergewicht bedingt ist, da eine Gewichtszunahme die Insulinempfindlichkeit herabsetzt und das Anwachsen von Bauchfett begünstigt, womit die beiden Grundbedingungen für Diabetes vorhanden wären. 12 Je dicker wir werden, desto eher entwickeln wir Prädiabetes und Diabetes. Laut Mitteilung des Statistischen Bundesamts gilt mittlerweile über die Hälfte aller erwachsenen Deutschen als übergewichtig (BMI 26 bis 29,9); insgesamt 15 Prozent fallen in die Kategorie der Fettleibigkeit (BMI ab 30). 13 In Amerika sind die Zahlen noch dramatischer (siehe Grafik): 26,7 Prozent der Erwachsenen gelten als fettleibig, und es ist noch keinem Bundesstaat gelungen, diese Zahl auf die erwünschten maximal 15 Prozent zu drücken. 14 (Weshalb uns von offizieller Seite gebetsmühlenartig ans Herz gelegt wird, uns mehr zu bewegen, fettärmer zu essen und – natürlich – mehr Vollkorngetreide zu verzehren.)
Ein höheres Gewicht zieht erwartungsgemäß Diabetes und Prädiabetes nach sich, wobei der Risikobereich je nach Veranlagung individuell sehr unterschiedlich sein kann und nicht allein am BMI festzumachen ist. Die Schwankungsbreite ist eine Frage der Gene.
Trends zu Übergewicht und Adipositas in Amerika, 1960–2008. Als Übergewicht gilt ein BMI von 25–30; starkes Übergewicht ab BMI 30; extremes Übergewicht ab BMI 35. Während der Prozentsatz der Übergewichtigen stabil blieb, ist der Anteil der stark Übergewichtigen deutlich in die Höhe geschnellt, und auch der Anteil der extrem Übergewichtigen hat erschreckend zugenommen.
Quelle: Centers for Disease Control and Prevention.
Die wirtschaftlichen Folgen sind frappierend. Übergewicht ist ein teurer Spaß, sowohl für das Gesundheitssystem, als auch für jeden Einzelnen. 15 Schätzungen zufolge werden in den nächsten 20 Jahren unvorstellbare 16 bis 18 Prozent aller Ausgaben im Gesundheitssystem allein durch Übergewicht entstehen. Nicht ungünstige Gene, angeborene Behinderungen, psychische Erkrankungen, Verbrennungen oder posttraumatische Stressbelastungen nach Kriegserlebnissen, nein, nur Übergewicht ist dafür verantwortlich. Die Behandlung von Übergewicht kostet mehr als die Krebstherapie, und wir werden mehr Geld für die gesundheitlichen Folgen von Übergewicht ausgeben als für Bildung.
Der Trend bei Diabetes, Prädiabetes und Gewichtszunahme entspricht allerdings einem zweiten Trend, nämlich (Sie werden es erraten) dem Weizenkonsum. Ob aus Bequemlichkeit, im Namen der Gesundheit oder weil es einfach schmeckt: Wir sind geradezu süchtig nach Weizen, und der Pro-Kopf-Verzehr von Weizenprodukten hat sich in Amerika seit 1970 um rund zwölf Kilo pro Jahr erhöht. 16 Quer durch die Nation konsumiert ein Amerikaner im Durchschnitt rund 60 Kilo Weizen pro Jahr, Säuglinge und Kinder inbegriffen. Daher kann man getrost davon ausgehen,
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