Welch langen Weg die Toten gehen

wiederholt worden. Kontoinhaber sei eine Mrs. Kay Maciver, wohnhaft im Moscow House, in der Avenue.
    Novello, den wissbegierigen Bogen von Noolans Augenbrauen ignorierend, hatte ihm artig gedankt und war zu Pal Macivers Anwalt weitergezogen, einem nervösen jungen Mann namens Herring, der ihr Interesse beinahe herbeigesehnt zu haben schien. Es stellte sich heraus, dass Sue-Lynn am Tag zuvor, von ihrer Trauercouch auferstanden, die glänzende Stunde genutzt hatte, indem sie die Papiere ihres verschiedenen Ehemanns und, nach dem Klang ihrer Stimme zu urteilen, auch dessen Weinkeller durchgegangen war. Da es ihr nicht vergönnt schien, sich des begehrlich gesuchten Dokuments zu bemächtigen, einer Kopie seines Testaments, hatte sie im Lauf des Abends Mr. Herring bei sich zu Hause angerufen und verlangt, dass er unverzüglich das Original beschaffe und damit zur Casa Alba komme.
    »Ich hab ihr erklärt, dass das nicht möglich sei. Ich war zu Hause, ich hatte Gäste da, worauf sie sehr ausfallend wurde und mir drohte, dass sie zu mir kommen würde, falls ich ihr den Inhalt des Testaments nicht übers Telefon durchgebe. Das habe ich getan. Sie hatte Anspruch darauf, und, um ehrlich zu sein, ich war ganz froh darüber, es aus der Ferne und nicht unter vier Augen tun zu müssen. Verstehen Sie, vor etwa sechs Wochen war Mr. Maciver gekommen und hatte sein Testament geändert. Neben einigen kleineren Hinterlassenschaften vermachte er sein Vermögen zu gleichen Teilen seiner Schwester Cressida und seiner Tante, Miss Lavinia Maciver.«
    »Nichts seiner Frau?«
    »Ihr fällt eine dieser kleinen Hinterlassenschaften zu. Fünfzig Pfund, mit dem kryptischen Kommentar, das sei mehr als genug, um die noch ausstehenden Rechnungen an ihren Arzt für erhaltene Dienstleistungen zu begleichen.«
    »Wie hat es die Lady aufgenommen?«, fragte Novello.
    »Was glauben Sie denn? Mit noch mehr Verwünschungen und Drohungen. Es hat mir wirklich den Abend verdorben. Ständig habe ich erwartet, dass sie an meine Tür hämmert.«
    »Wird sie das Testament anfechten?«
    Zum ersten Mal hellte sich Mr. Herrings Miene auf.
    »O ja, dessen bin ich mir sicher. Sollte ein interessanter Fall werden. Könnte sich ewig hinziehen.«
    Ob sich diese neuen Informationen für die Ermittlungen – oder was immer sie auch waren – als relevant erweisen würden, konnte sie nicht beurteilen, aber sie hatte das Gefühl, dass alles gut laufe. Sie lenkte ihre Gedanken auf die mysteriöse Dolores. Selbst wenn sich herausstellte, dass sie mit dem Fall nichts zu tun hatte, was sie halb erwartete, wäre es nett, Joker Jennison zu zeigen, dass das CID Stellen erreichte, von denen fette Trampel noch nicht mal zu träumen hofften. Mit einem Hüftschwung wie ein schaukelnder Howdah machte sie sich auf den Weg um die Ecke in die Avenue und bezog, an einen Baum gelehnt, etwa dreißig Meter vor der Einfahrt zum Moscow House Position.
    Zwei Minuten später bauten sich zwei Frauen vor ihr auf. Sie erkannte sie beide. Die ältere der beiden, eine große, vierschrötige Frau mit neonfarbenen Haaren, hieß Big Maggie. Sie hatte während des letzten Aufflackerns des immerwährenden Kriegs zwischen den Anwohnern der Avenue und den Prostituierten im Lokalsender die selbst ernannte Gewerkschaftsvertreterin gemimt. Die andere, eine junge Frau, bekannt als Crazy Jane, war anorektisch dürr, hatte schlechte Zähne und ein nervöses Auge, dessen unkontrollierte Zuckungen ihr ihren Spitznamen eingetragen hatten.
    »Was verdammt noch mal willst du hier?«, wollte Big Maggie wissen.
    »Dachte, ich zieh euch beide aus dem Verkehr«, sagte Novello.
    Der Angriff traf sie überraschend. Sie war auf einen traditionellen, mit der offenen Handfläche ausgeführten, von langen Fingernägeln unterstützten Schlag gegen die Augen gefasst. Aber diese Frau beschritt neue Wege und brachte, einem Profiboxer nicht unwürdig, einen knüppelharten Punch gegen den Solarplexus an. Nicht einmal die muskelstärkenden Stunden in der Sporthalle konnten die Schmerzen lindern, verhinderten aber, dass Novello außer Gefecht gesetzt wurde. Sie ächzte, versuchte den Schmerz abzudämpfen, konzentrierte sich, und als ihre Angreiferin sie, nun wieder ganz auf die bekannte Tour, an den Haaren ziehen wollte, wich sie etwas zur Seite und nutzte Big Maggies Schwung, um diese krachend gegen den Baum zu schicken.
    Crazy Jane sah mit ungläubiger Schreckensmiene zu, was, nachdem ihr nervöses Zucken auf beide Augen