Welch langen Weg die Toten gehen
verstanden, was der Tod ist, obwohl sie ja krank war, aber es war, als hätte mir jemand das kleine Nachtlicht in meinem Schlafzimmer ausgeschaltet und mich in der Dunkelheit allein gelassen.
Und dann ist Kay gekommen, und das Licht war wieder an.
Ich war also neun, und es wäre mir egal gewesen, wenn ich alles verloren hätte, alles, nur nicht Kay, es war schrecklich, das über Daddy zu hören, aber wie gesagt, irgendwie war ich auch erleichtert, weil doch dieses Mal das Licht nicht ausgeschaltet wurde, weil ich ja Kay hatte.
Aber Sie wollen ja von Pal hören, nicht wahr, und nicht von Kay.
Wir sind zehn Jahre auseinander, das ist viel, mir ist er immer wie ein Onkel vorgekommen, nicht wie ein Bruder, na ja, er war nett zu mir, aber er hat mich nicht wirklich beachtet, nur wenn ich Kay als meine Mum bezeichnet habe. Sie hat mich ja nie Mum zu ihr sagen lassen, aber in meinem Kopf, da war sie Mum, und manchmal ist es mir eben rausgerutscht, und Pal und Cress sind dann immer schrecklich wütend geworden und haben mir gesagt, das ist nicht unsere Mutter, sie ist nur eine hinterhältige Ausländerin, die unseren Dad in die Finger bekommen will, und eines Tages würde er schon erkennen, wer sie wirklich ist, und dann hätte es ein Ende damit und es würde ihr an den Kragen gehen.
Manchmal haben sie mich so schrecklich zum Weinen gebracht, dass ich ganz hysterisch wurde, Kay hat mich dann immer getröstet, und ich hab ihr erzählt, was sie mir gesagt haben, aber sie ist nie wütend geworden, sondern hat nur gesagt, es stimmt ja doch, ich bin nicht eure Mutter, ich würde es aber gern sein, für dich und für euch alle drei, wenn wir sie nur ließen, und ich hab gesagt, ja, ich lass dich meine Mutter sein, das war es doch, was ich wollte, mehr als alles andere auf der Welt, aber die anderen haben so was nie gesagt.
Cress war mir altersmäßig näher, aber immer noch acht Jahre älter, und mit ihr kam ich noch schlechter aus als mit Pal. Vielleicht kam es mir auch nur so vor, weil er ein Mann war und sie ein Mädchen und meine Schwester, es hat mich also noch mehr getroffen, wenn sie sauer auf mich war und mich Püppchen oder Pollyana genannt hat, aber ich hatte ja Kay, und das hat mir gereicht.
Nur eines hat mich beunruhigt, dass mich nämlich Kay, wenn ich elf werden würde, auf ein Internat wegschickt, so wie Cress, die aber freiwillig gegangen ist. Aber als ich Kay davon erzählt habe, hat sie nur gelacht und gesagt, Dummerchen, Weaver ist doch ganz wunderbar, und ob ich da nicht hinwollte? Natürlich wollte ich da hin, und als ich mich dort eingelebt habe, hat’s mir sehr gefallen, ich hab viele Freunde kennen gelernt, und natürlich hab ich dort auch zum ersten Mal ein Auge auf Jase geworfen.
Er kam als Sportlehrer für die Jungs, als ich dreizehn war, es war seine erste Stelle, und er hat allen Mädchen den Kopf verdreht, weil er so ein toller Brocken war. Alle haben davon geträumt, mit ihm auszugehen, aber er hat da nie viel Interesse gezeigt, und natürlich wär mir damals nie in den Sinn gekommen, dass ich ihn kaum fünf Jahre später heiraten würde!
Aber ich komm von Pal ab, eigentlich aber auch nicht, weil ich ihn doch nach Daddys Beerdigung nicht mehr gesehen habe, er und Cress haben sich von uns zurückgezogen und wollten uns noch nicht mal mehr sehen.
Wir haben damals im Goldenen Vlies gewohnt, denn nach der Rückkehr aus Amerika konnten wir nicht ins Moscow House, Kay hat mir damals erklärt, das sei gesetzlich verboten, wenn jemand kurz davor gestorben ist, erst später habe ich herausgefunden, dass Pal die Schlösser ausgetauscht hat, wozu er überhaupt kein Recht hatte, denn das Haus gehört mir genauso wie ihm und Cress.
Zuerst haben wir bei Tony in Cothersley gewohnt, das ist Tony Kafka, für den Kay gearbeitet hat, aber nur für ein paar Tage, weil er, glaube ich, gesagt hat, es macht sich nicht gut, also sind wir ins Goldene Vlies umgezogen, dort hat Ash-Mac, so heißt die Firma, eine Suite für wichtige Besucher, und dort sind wir einige Wochen geblieben, bis wir eine Wohnung in der Stadt gefunden haben, und knapp ein Jahr darauf haben Kay und Tony dann geheiratet, und wir sind wieder nach Cothersley gezogen.
Und Moscow House, dort haben Pal und Cress gewohnt, aber eigentlich war es zu groß für sie, es wäre also sinnvoll gewesen, es zu verkaufen, das hat Kay gewollt, sie war mein Vormund, wie es in Dads Testament festgelegt war, das heißt, sie war in allen rechtlichen Dingen für
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