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Welch langen Weg die Toten gehen

Welch langen Weg die Toten gehen

Titel: Welch langen Weg die Toten gehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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werden wir nie mehr miteinander reden … das wird mir jetzt erst so allmählich klar … tut mir leid, ich hab wirklich nicht geglaubt, dass ich weinen würde, aber es geht nicht anders, wenn ich an den armen Pal denke, in dem gleichen Zimmer, in dem sich Dad … tut mir leid, tut mir leid … mein Gott, jetzt hab ich auch noch die beiden aufgeweckt, können Sie vielleicht eine Schwester rufen?

6
    Big Maggie und Crazy Jane
    D ie Avenue im Tageslicht war weniger beeindruckend als in der Nacht. Frühlingshafter Sonnenschein, dessen lieblicher Glanz allem, was jung ist, einen empfänglichen Schimmer verleiht, gibt sich weniger freundlich gegenüber dem Alten; und wo der Mensch gebaut hat, ist die Üppigkeit der Natur ein so aufschlussreiches Indiz für Niedergang und Verfall wie abblätternde Farbe und fehlende Dachziegel. Hemmungslose Hecken, unbeschnittene Bäume, strähniger Rasen, all dies unterstreicht die Botschaft, die von den Fingern des Felsenblümchens auf stumpfe Mauern gezeichnet wird: Soll die übrige Welt sich in sein bestes Osterfestgewand kleiden, das Beste, was man hier bekommen kann, ist vornehme Schäbigkeit.
    Es half nicht, dass die Avenue bar menschlichen Lebens war. Zumindest schien es so, als hätten die Damen der Nacht verfügt, dass die Sünden der Finsternis auch nur in den Stunden der Finsternis genossen werden durften.
    Shirley Novello allerdings wusste, dass der Sex keinen festen Zeitplan hatte und dass zur Mittagszeit manche Männer nicht nur Hunger auf ein Käse-Sandwich verspürten.
    Sie wusste auch, wie die Fische zu ködern waren.
    Sie hatte um die Ecke geparkt, den Rückspiegel so eingestellt, dass sie ihr Gesicht sah, und genügend lebhaften roten Lippenstift aufgetragen, als wollte sie damit den Verkehr zum Erliegen bringen. Als Nächstes streifte sie ihre ausgebeulte Tarnhose mit der geübten Leichtigkeit derjenigen ab, der die räumliche Beschränktheit eines Unos keine Probleme bereitete, tauschte ihre Turnschuhe gegen ein Paar mit Plateausohlen aus und streifte einen rot-grünen Anorak über. Dann stieg sie aus und betrachtete ihr Spiegelbild im Wagenfenster. Ihr Outfit mochte ästhetisch vielleicht einiges zu wünschen übrig lassen, stellte sie zufrieden fest, dafür ließ es aber anderes umso mehr sehen. Die muskulösen braunen Beine, die unter dem Anorak zur Schau gestellt wurden, reichten vielleicht nicht an die verträumte Beschreibung heran, die dieser Witzbold Jennison von der verschwundenen Dolores gegeben hatte, aber was ihnen an Länge fehlte, machten sie an Stärke wett. Ihrer Erfahrung nach wollten Männer nicht mit einem Schleifchen gefesselt, sondern von einer Schraubzwinge gepackt werden.
    Sie war hier, weil sie ihrem Gefühl nach eine Glückssträhne hatte.
    Kam es darauf an, Informationen über ihre Kunden aufzutischen, ließen in anderen Abschnitten des Universums Bankdirektoren und Anwälte selbst die Priester als Plappermäuler erscheinen. In Mid-Yorkshire hingegen lagen die Dinge anders. Abgesehen von so manchem Neuling (in dessen Fall die Weisheit der Traurigkeit dicht auf den Fersen folgte) reichte bei den meisten der schlichte Hinweis
Mr. Dalziel wäre sehr dankbar
, um alle Zungen zu lösen.
    In der Mid-Yorkshire Savings Bank leistete der Direktor Willie Noolan, der sich schon länger um die örtlichen Barbestände kümmerte als der Dicke um das örtliche Verbrechen, noch nicht mal nominellen Widerstand, sondern präsentierte Novello eine detaillierte Auflistung der privaten und geschäftlichen Konten von Pal Maciver, fast noch bevor sie darum gebeten hatte.
    Das Geschäftskonto bestätigte Dolly Upshotts Behauptung, dass Archimagus ziemlich gut lief. Das Privatkonto wies nur einen Vorgang auf, der Novello ins Auge stach, einen Zahlungseingang über jeweils zweitausend Pfund am Monatsanfang während des letzten Vierteljahres. Das überwiesene Geld stammte von einem Einlagekonto der örtlichen Zweigstelle der Nortrust Bank, einer privatisierten Baugenossenschaft. Noolan ersparte Novello die Mühe, einen weiteren Pfeiler des Finanzgewerbes mit Dalziels Namen zu traktieren, indem er sich bereit erklärte, es selbst nachzuprüfen.
    Das Konto, verkündete er, sei bereits vor langer Zeit mit einer Einlage von zwanzig Pfund eröffnet worden, allerdings dann jahrelang stillgelegen, bis vor drei Monaten zweitausend Pfund eingezahlt wurden. Nur wenige Tage später sei die Überweisung auf die Mid-Yorkshire Savings erfolgt. Dieser Vorgang sei zweimal

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