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Welch langen Weg die Toten gehen

Welch langen Weg die Toten gehen

Titel: Welch langen Weg die Toten gehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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übergriff, ihr Aussehen beträchtlich verbesserte. Sie machte keine Anstalten, sich am Angriff zu beteiligen.
    Novello lächelte ihr kurz zu und sagte: »Du hast das gesehen, Jane, oder? Tätlichkeit gegen eine Polizeibeamtin ohne erkennbaren Grund.«
    »Äh?«
    Mit der rechten Hand auf Big Maggies Rücken gestützt, um sie weiterhin gegen den Baum zu drücken, zückte Novello mit der Linken ihren Polizeiausweis und zeigte ihn dem dünnen Mädchen. Dann zog sie die andere zu sich heran und hielt ihn auch ihr vors Gesicht.
    »Gut«, sagte sie. »Reden wir.«
    Novello wusste, dass in politisch korrekten Polizei-Soaps, die sie im Fernsehen zu meiden suchte, weibliche Bullen und Huren häufig feststellten, dass sie Schwestern im Geiste seien und feste feministische Beziehungen aufbauten, basierend auf gegenseitigen Respekt und miteinander geteilter Verachtung für Männer.
    Ihrer Meinung nach sollten Drehbuchschreiber sich mehr in der Welt umtun. Jedenfalls sollten sie Mid-Yorkshire einen Besuch abstatten und einmal durch die freie Wildbahn streifen. Ihrer Erfahrung nach betrachteten die meisten Prostituierten Polizisten gleich welchen Geschlechts als natürliche Feinde und kooperierten mit ihnen nur aus einem dringenden Selbsterhaltungstrieb heraus.
    Novellos Einstellung hatte nichts Moralistisches an sich. Sie verurteilte nicht, aber sie war auch keine Sozialarbeiterin. Es war purer Pragmatismus.
    Männer, die sich Prostituierter bedienten, waren für sie traurige Gestalten jenseits jeder Erlösung. In ihren eigenen Beziehungen verstieß sie gnadenlos jeden Gefährten, wenn sie nur den leisesten Wink erhielt, dass er sich auf eine Prostituierte eingelassen hatte. »Wenn ich ihm das umsonst gebe, wofür der Dreckskerl in der Vergangenheit bezahlt hat«, erklärte sie ihrem Beichtvater Pfarrer Kerrigan, nachdem dieser seine Enttäuschung darüber geäußert hatte, dass sie wieder ein Schaf seiner Gemeinde, einen seiner Meinung nach guten katholischen Burschen, in die Wüste geschickt hatte, »was bin ich denn dann für eine Loserin?«
    Pfarrer Kerrigan stöhnte und dachte sich wie so oft nach einer dieser unheimlichen Begegnungen der moralischen Art mit Novello, dass sich nichts geändert habe, seitdem der Vatikan der Selbstflagellation (sozusagen) den Rücken gekehrt hatte. Hätte er die Wahl zwischen einer guten, altmodischen Geißelung und dem heutigen Umgang mit einer modernen, jungen Frau, hätte er nicht lange überlegen müssen.
    »Also Folgendes, Maggie«, sagte Novello. »Ich kann dich einsperren und wegen tätlichen Angriffs auf eine Polizeibeamtin drankriegen, und dich, Jane, wegen Beihilfe – oder aber ihr erzählt mir ausführlich, was ihr letzte Donnerstagnacht gesehen und gehört habt, als sich der Typ im Moscow House die Birne weggeknallt hat, und ihr könnt mir sagen, wo ich ein großes, üppig ausgestattetes Mädchen mit langem schwarzen Haar namens Dolores finde.«
    Big Maggie rappelte sich auf.
    »Ganz einfach«, sagte sie. »Das hab ich schon diesem fetten Schwein erzählt, der sich für Eddie Murphy hält. Hab letzten Donnerstag nichts gesehen und gehört, außer dass ihr uns das Geschäft vermasselt habt, und außerdem gibt es hier keine Dolores, die in der Avenue arbeitet oder sonst wo in der Nähe, so weit ich weiß.«
    Jennison hatte sich also dahintergeklemmt.
    Novello runzelte die Stirn.
    »Von nichts kommt nichts«, sagte sie. »Denk noch mal drüber nach. Aber wenn du mir irgendein Märchen auftischst, kannst du deine Sommerferien abschreiben.«
    »Fahr nirgendwohin, wo ich sowieso nicht sein will«, sagte Big Maggie ungerührt.
    »Jane?«
    Die jüngere Frau stotterte: »Manchmal kommt so ein Wagen …«
    »Und dann?«
    »Fährt zum Moscow House, hab’s selber gesehen.«
    »Letzten Donnerstag?«
    »Vielleicht. Tage merk ich mir nicht.«
    »Was für ein Wagen?«
    »Weiß nicht. Ein Kombi. Blau, glaub ich.«
    Klang wie Macivers Laguna. Konnte doch kaum was zu bedeuten haben, dass er manchmal vorbeikam, war ja schließlich zum Teil auch sein Haus, oder?
    Nachdenklich runzelte sie die Stirn, und Crazy Jane musste sich von der Miene bedroht gefühlt haben, denn plötzlich fügte sie an: »Aber am Donnerstag war ein Wagen da. Ein weißer. Ist langsam ein paar Mal vorbeigefahren. Auf der Suche nach einer Nummer, dachte ich, aber auf dem Beifahrersitz war schon eine Frau.«
    »Eines der Mädels, meinst du?«
    »Vielleicht«, sagte sie. »Aber ich hab sie nicht erkannt. Schwarze Haare, ja, ich

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