Welch langen Weg die Toten gehen
sein, dass Pal sein Haus im gleichen Dorf gebaut hatte, in dem seine Stiefmutter lebte, und ihm einen Namen gab, der sie jedes Mal, wenn sie ihn hörte, an ihr totes Kind erinnerte? War er zu solch grausamem Spott fähig?
Und spielte es, bezogen auf seinen eigenen Tod, irgendeine Rolle?
Das Geräusch eines sehr schnell fahrenden Wagens riss ihn aus diesen quälenden Überlegungen. Er drehte sich auf seinem Sitz um, sah zur schmalen Landstraße, über die ein leuchtend roter Sportwagen gejagt wurde, als würde er von einem der Schumacher gesteuert, dem der andere dicht auf den Fersen war.
Ein roter Alfa Romeo Spider. Hatte nicht Sue-Lynn einen solchen Wagen in der Nacht am Moscow House gefahren?
Als Antwort auf diese Frage bog der Spider mit einem Bremsenquietschen, auf das sonst meist ein sehr lauter Knall folgte, von der Straße ab und raste durch das Tor, ohne dass einer der Rückspiegel auch nur einen Kratzer davontrug.
Nach dieser Darbietung wunderbaren oder glücklichen fahrerischen Könnens sah es allerdings so aus, als wäre alles vergeblich, denn der Wagen röhrte über die Anfahrt, als hätte die Fahrerin vor, ins Haus zu brechen, ohne sich lange mit dem Anklopfen aufzuhalten. Durch die Windschutzscheibe sah er Sue-Lynns Gesicht, so bar jeder Emotion, dass es gut und gern eine Maske hätte sein können, und als er bereits davon überzeugt war, dass sie in einer kuriosen Abart von Witwenverbrennung beschlossen hatte, ihrem Gatten mit Höchstgeschwindigkeit in die nächste Welt zu folgen, trat sie auf die Bremse.
Durch ein zweites Manöver, das einem Stuntman würdig gewesen wäre, brachte sie den Wagen schlitternd zum Stehen, das Heck drehte einen Halbkreis und gab eine Maschinengewehrgarbe an Kieselsteinen auf die Motorhaube des BMW ab.
Sue-Lynn warf noch nicht einmal einen Blick auf die beiden Fahrzeuge, als sie ausstieg und, zu Fuß fast so flott wie mit dem Wagen, zum Eingang eilte.
Auch die Frau im BMW war auf Draht, wie Pascoe bemerkte. Sie war ausgestiegen und rannte schreiend auf Sue-Lynn zu. Er verstand nicht, was sie sagte, ihr Tonfall allerdings zeugte unzweifelhaft von Feindseligkeit. Er schickte sich an, auszusteigen.
Sue-Lynn drehte sich um und sah zu der sich nähernden Frau, beschloss, dass ihr nicht gefiel, was sie sah oder hörte, und steckte den Schlüssel ins Schloss, vermutlich in der Absicht, die Eingangstür zwischen sich und ihre Besucherin zu bringen.
Das wäre in der Tat ein kluger Zug gewesen. Die gutgebaute Frau stand nun neben ihr, brüllte noch immer zusammenhanglos und wedelte ihr mit einem Blatt Papier vor der Nase herum.
Sue-Lynn sah darauf und sagte etwas.
Was immer es gewesen sein mochte, es wurde nicht allzu freudig aufgenommen. »Schlampe!«, erwiderte die andere.
Pascoe war nun so nah, dass er es deutlich vernehmen konnte, aber er war nicht so nah und schon gar nicht psychologisch darauf vorbereitet, einzugreifen, als die andere mit der Rechten ausholte und einen Schlag gegen Sue-Lynns Kopf anbrachte. Keine klatschende feminine Ohrfeige, sondern einen astreinen feministischen rechten Haken, der mit hörbarer Wucht Sue-Lynn seitlich am Kiefer traf.
Sie krachte nach hinten gegen die Tür und glitt mit einer Miene, die ebenso sehr von Überraschung wie von Schmerz zeugte, zu Boden. Ihre Angreiferin stand über ihr, als überlegte sie, ob sie ihr nicht noch einen Fußtritt verpassen sollte, doch dann riss sie das Blatt Papier, das sie in der linken Hand gehalten hatte, in der Mitte entzwei und warf die beiden Hälften auf die am Boden liegende Frau.
»Okay, das reicht jetzt«, sagte Pascoe.
Sie drehte sich um, sah ihn finster an und sagte »Meinen Sie?«, bevor sie ihn mit der Schulter zur Seite rammte und zurück zu ihrem BMW eilte.
Natürlich hätte er sie verhaften sollen. Hochrangige Polizisten konnten nicht Augenzeuge eines tätlichen Angriffs werden, ohne etwas zu unternehmen. Andererseits, bei diesem Schlag …
War jetzt sowieso zu spät.
Der Motor des BMW heulte auf, die Hinterräder drehten im Kies durch, und nun bekam sein Wagen die Breitseite ab, bis der BMW Bodenhaftung fand und über die Einfahrt hinausschoss, als wollte er den erst kürzlich vom Spider aufgestellten Rekord brechen.
Sue-Lynn versuchte sich aufzurichten. »Alles in Ordnung?«, fragte er und bot ihr seine Hand an. Sie ignorierte sie und zog sich an der Türklinke hoch.
»Mrs. Maciver«, sagte er, »ich bin Detective Chief Inspector Pascoe. Wir sind uns im Moscow House
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