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Welch langen Weg die Toten gehen

Welch langen Weg die Toten gehen

Titel: Welch langen Weg die Toten gehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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anderen Mann im Häuschen, dann führte er Wield schnellen Schritts über das Gelände, als wollte er demonstrieren, wie fit er noch war.
    Man musste kein Industrie-Archäologe sein, um die Geschichte von Ash-Mac nachzuvollziehen, dachte sich Wield. Sie ließ sich deutlich aus dem hässlichen Gebäudewirrwarr ablesen, das vor ihm lag. Die ursprüngliche Werkstatt, in der Liam Maciver vor so vielen Jahren angefangen hatte, stand noch, um sie herum die aus Klinker errichteten Erweiterungsbauten, die die rasche Entwicklung des Unternehmens in den späten Dreißigern und Vierzigern markierten. Ein schärferer Blick war nötig, um zu erkennen, wann die Konsolidierung abgeschlossen war und der Niedergang einsetzte, die Wende allerdings war unmissverständlich an mehreren nagelneuen Beton-und-Glas-Bauten zu erkennen, unter anderem an einem kleinen Büroblock, über dem sowohl das Sternenbanner als auch der Union Jack flatterte.
    Dorthin führte Edwards Wield. Eine unfreundliche Rezeptionistin, die mehr Farbe aufgetragen hatte als ein ganzer Trupp Mohawks auf Kriegspfad, hörte dem Wachmann zu, als dieser das Anliegen des Sergeant vortrug, während sie den Blick über Wields ledergewandeten Körper schweifen ließ, als überlegte sie, wo sie am besten ihren Tomahawk platzieren sollte. Dann griff sie zum Telefon, drückte einen Knopf, sprach schnell einige Laute, die sich wie Irokesisch anhörten, lauschte und sagte dann: »Danke, Mr. Edwards. Sergeant Wield, wenn Sie mir bitte folgen möchten.«
    Sie erhob sich und eilte zu einer Treppenflucht.
    Wield sah zu Edwards, der das Gesicht verzog, »Ich glaub, sie mag dich« murmelte und dann ging.
    Als wäre es ihr unvorstellbar, dass ihren Anweisungen nicht unverzüglich Folge geleistet werde, war die Frau im nächsten Moment bereits außer Sichtweite. Allerdings konnte Wield ihr Fortkommen mittels des sonaren Klickens ihrer Stiletto-Absätze verfolgen, so dass er kurz darauf achtern zu ihr aufschloss. Im zweiten Geschoss trat sie ohne anzuklopfen durch eine Tür und sagte zu einer anderen Frau, deren Gesicht sich von ihrem nur darin unterschied, dass der Stammeskünstler ein Lächeln aufgemalt hatte: »Das ist Sergeant Wield.« Damit ging sie.
    Die lächelnde Frau ging zu einer innen gelegenen Tür, klopfte einmal an, öffnete sie und sagte: »Sergeant Wield.«
    Er trat ein. Ein Mann saß hinter einem Schreibtisch. Er war in den Vierzigern, stämmig, hatte volles Haar im Übergang von Pfeffer zu Salz. Er erhob sich und streckte ihm die Hand entgegen. »Tony Kafka. Womit kann ich Ihnen behilflich sein?«
    »Muss ein Missverständnis sein, Sir«, sagte Wield, während er die dargebotene Hand schüttelte. »Ich wollte mit Mr. Hoblitt reden.«
    »Das sagte man mir, aber diesmal sind Sie gleich bis nach oben durchgereicht worden. Hoblitt ist irgendwo auf dem Gelände unterwegs, vielleicht kann ich Ihnen also bei Ihren Problemen helfen.«
    »Nur Routineermittlungen, Sir. Sind es kaum wert, Sie damit zu belästigen.«
    Es war seine erste Begegnung mit Kafka. Es hatte damals keinen Grund gegeben, persönlich mit ihm in Kontakt zu treten, als Pal senior sich umgebracht hatte, und seither noch viel weniger. Aber er hatte oft darüber nachgedacht, was für ein Mensch das war, der die enigmatische Kay Maciver und deren Stieftochter nach der Tragödie bei sich aufgenommen hatte.
    Der Raum selbst ließ kaum Rückschlüsse zu. An der Wand hing ein Foto der in eine Felswand gemeißelten Köpfe einiger amerikanischer Präsidenten, die Wield, wie er sich erinnerte, in einem Hitchcock gesehen hatte. Auf dem aufgeräumten Schreibtisch stand ein weiteres Foto, ein Bild in einem Silberrahmen, das einen lächelnden Soldaten mit einem Orden auf der Brust zeigte. Er musste mit Kafka nah verwandt sein. Die Wangenknochen und die Nase waren unverkennbar. Sonst war nichts zu sehen, was als persönlicher Gegenstand hätte eingestuft werden können.
    »Sie belästigen mich nicht, Sergeant«, sagte Kafka in einem Ton, der klar implizierte:
Wie können Sie es nur wagen?
    »Es geht nur um einen ehemaligen Angestellten, an dem wir interessiert sind«, sagte Wield. »Er heißt Gallipot. Hat vor etwa zehn Jahren für den Wachdienst gearbeitet.«
    »Gallipot?«, erwiderte Kafka. »Da klingelt bei mir nichts.«
    Was nicht stimmte.
    Und es war kein süßer Glockenschlag, der ertönte, dachte sich Wield. Der Kerl war gut, aber es brauchte schon eine Oscar-verdächtige Schauspielleistung, um seinen kritischen Blick zu

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