Welch langen Weg die Toten gehen
einschüchtern, aber zu ihrer Überraschung steht er fest zu Helen. Jetzt hat sie ein wirkliches Problem. Wenn sie ihnen den ganzen Krempel vor die Füße wirft, könnte es dazu führen, dass die beiden sich aus dem Staub machen und sie ohne die anscheinend wichtigste Person in ihrem Leben dasteht. Also sieht sie sich die Alternative an. Und kommt ins Grübeln, ob das wirklich so schlecht wäre? Irgendwann würde Helen sowieso heiraten, und hier haben wir einen hübschen Burschen, einen wirklich heißen Lover, gutes Zuchtmaterial mit einer guten, sicheren Anstellung, nicht zu helle, aber helle genug, um wegen einiger amouröser Abenteuer seinen Job nicht aufs Spiel setzen zu wollen. Und außerdem, und ich bin mir sicher, das war für sie der Hauptgrund, glaubte sie, dass er das Mädchen wirklich liebt. Also gibt sie ihr Okay, aber erst nachdem sie sichergestellt hat, dass Jason sich über die Regeln im Klaren ist.«
»Schade, dass der Hornochse sich nicht daran gehalten hat«, grunzte Dalziel.
»Sir, du hast oft genug gesagt, dass ein Mann sich von seinem Schwanz nicht trennen kann. Und er hatte Pal Maciver, der ihm nachstellte. Wenn Kay wollte, dass der Dunn-Haushalt ein kleines Paradies sei, dann war Pal die Schlange, die es diesmal jedoch auf den Kerl abgesehen hatte.«
»Und warum sollte er das tun?«
»Aus Bosheit. Langjähriger Hass auf die Stiefmutter. Vielleicht fand er es anfangs einfach nur interessant, dass er Kay ziemlich in Aufruhr versetzen konnte, wenn er in der Ehe der Schwester für Kummer sorgte. Aber Untreue ist verzeihlich. Die Chancen standen recht gut, dass Jason wieder im Schoß der Familie Zuflucht fand, während der verkommene Pal für immer in die Schwärze der Finsternis geschleudert würde. Aber nachdem Jason sich verplappert hatte, dass er Kay gevögelt hatte, hielt Pal ein Massenvernichtungsmittel in der Hand. Damit würde er nicht nur das eheliche Schiff zum Schwanken bringen, damit konnte er Kays Beziehung zu Helen für immer zerstören.«
Dalziel schüttelte den großen Kopf, wobei nicht ersichtlich war, ob er damit seine Ernüchterung über die lieben Mitmenschen oder Uneinigkeit mit Pascoes Hypothese zum Ausdruck bringen wollte.
»Warum hat er dann nicht einfach alles ausgeplaudert?«
»Um sich selbst den Spaß zu verderben? Nein, er würde Kay schon wissen lassen, was er wusste. Wahrscheinlich begann er eine Erpressungsgeschichte, was die Geldeingänge auf diesem Konto erklären würde. Aber das war nicht sein eigentliches Ziel. Es war nur eine Möglichkeit, Kay zappeln zu lassen. Von Zeit zu Zeit konnte er die Schrauben anziehen, indem er zum Beispiel mehr Geld forderte. Oder indem er einen Gewissenskonflikt vorgab und andeutete, es wäre das Beste, alles offenzulegen. Kay sollte büßen, darum ging es ihm.«
»Büßen wofür?«
»Für alles, was sie seiner Meinung nach ihm und seiner Familie angetan hatte. Darüber werden wir wohl nie die Wahrheit erfahren.«
Dalziel sagte ohne jeden Nachdruck und mit ungewöhnlich ruhiger Stimme: »Ich kenne die Wahrheit, Bursche, zweifle das nie an. Mach mit deinem Märchen weiter.«
»Kay ist eine intelligente Frau. Sie weiß, welches Spielchen Pal treibt. Sie weiß, dass ihr kleines Stück des irdischen Glücks auf dem Spiel steht. Sie nimmt an, dass der perfekte Zeitpunkt zum Zuschlagen für Pal kurz nach der Geburt der beiden Zwillinge kommen dürfte, dann, wenn ihr Paradies vollständig eingerichtet sein wird. Also entschließt sie sich, dem zuvorzukommen. Sie arrangiert ein Treffen im Moscow House. Vielleicht lässt sie durchblicken, dass statt Geld auch mit Sex gezahlt werden könnte. Ein Rendezvous, wie es besser nicht sein könnte, wenn man bedenkt, was dort alles geschehen oder fast geschehen ist. Sie kommt früher, um alles vorzubereiten. Als er auftaucht, trinken sie erst was zusammen. Und als er sich benebelt fühlt, sagt sie, sie würde gern einen Blick ins Arbeitszimmer werfen. Er lässt sich auf dem Stuhl seines Vaters nieder. Sie legt ihm das Gewehr unters Kinn und knallt ihm den Kopf weg. Sie hat uns ja gezeigt, dass sie wusste, wo das zweite Gewehr versteckt war.«
»Glaubst du das wirklich alles, was du da sagst, Peter?«, fragte Dalziel.
»Ich glaube, dass es möglich sein könnte, Sir. Und ich glaube, dass wir diese Möglichkeit bei unserem weiteren Vorgehen in Betracht ziehen sollten.«
»Dann fangen wir mal an«, sagte der Dicke und erhob sich. »Aber vergiss nicht, Pete. Sie macht sich Sorgen um Kafka.
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