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Welch langen Weg die Toten gehen

Welch langen Weg die Toten gehen

Titel: Welch langen Weg die Toten gehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Babys, das aus seinem warmen, sicheren Hafen in eine fremde, kalte Welt geworfen wurde.
    Und das nun zu einem Duett anschwoll.
    »So viel zur Kavallerie«, sagte Pascoe, während sie die Treppe hinuntereilten.
    Die Haustür ging auf, zwei Sanitäter kamen herein, gleichzeitig erschien Ellie in der Tür zum Wohnzimmer. Ihre Hände waren blutverschmiert, die Miene ein einziges Frohlocken. Sie hätte ein wunderbares Modell für den Triumph der Mutterschaft abgegeben, dachte sich Pascoe. Oder für Klytämnestra in der Nacht des Bades.
    »Zwillinge«, erklärte sie. »Ein Junge und ein Mädchen.«
    »Entschuldigen Sie«, sagte einer der Sanitäter und schob sich vorbei.
    »Alles in Ordnung da drin?«, fragte Dalziel.
    »Mutter und Babys sind wohlauf«, sagte Ellie. »Aber ich glaube, sie wollen vielleicht einen Blick auf den armen Jason werfen.«
    »Den Dad? Er sollte doch hier draußen sein und die Zigarren entzünden«, sagte Dalziel. »Sehen wir doch mal in der Küche nach, vielleicht lässt sich was finden, womit wir die Häupter der Babys begießen können.«
    »Sir«, warnte Pascoe.
    »Oh aye. Tatort. Keine Sorge. Ich hab immer eine Notfallration dabei.«
    Er ging in den Nebel hinaus.
    »Tatort?«, sagte Ellie.
    »Nur so eine Redensart. Alles in Ordnung, Mutter Teresa?«
    »Mir geht’s wunderbar. Du siehst müde aus.«
    »Es war ein langer Tag«, sagte er.
    Irgendwo in der Ferne begann eine Kirchturmuhr Mitternacht zu schlagen. Im dämpfenden Nebel klang es vertraut und bedrohlich zugleich, wie die Glocke an einer Warnboje, die von der rhythmischen Meeresdünung angeschlagen wurde.
    »Und jetzt beginnt ein neuer«, sagte Ellie.

[home]
    21. März 2002
     

1
    Die Knusperhexe
    E s war der erste Frühlingstag, und Detective Constable Hat Bowler hatte sich im Wald verlaufen.
    Eine für ihn nicht ungewöhnliche Erfahrung. Er schlief in diesen Tagen so wenig wie möglich, wusste er doch, dass er, sobald er die Augen schloss, zwischen Bäumen aufwachen würde, die dicht beieinander standen und nur so viel Licht durchließen, damit er erkennen konnte, dass es keinen Ausweg für ihn gab.
    Dr. Pottle hatte dazu wenig überrascht genickt und gesagt: »Ach ja. Der Urwald.«
    Peter Pascoe war es gewesen, der ihn zum Psychiater geschickt hatte.
    Nicht dass etwas mit ihm nicht gestimmt hätte.
    Nach dem Tod von … nach ihrem Tod … nachdem …
    Nachdem die Frau, die er noch mehr als das Leben geliebt hatte, bei einem Autounfall getötet worden war …
    Das war an einem Samstag Ende Januar gewesen. Am Montagmorgen war er zur Arbeit erschienen, kein Getue. Pascoe hatte einen Blick auf ihn geworfen und darauf bestanden, dass er seinen Hausarzt aufsuche. Der Idiot hatte vollkommene Ruhe und eine Psychotherapie empfohlen. Hat berichtete dies Pascoe in der Erwartung, dass dieser darüber ebenso empört sein würde wie er selbst. Stattdessen hatte ihm der DCI mit Pokermiene mitgeteilt, wenn er dem ärztlichen Rat nicht freiwillig folge, würde es offiziell in seine Akte Eingang finden und von allen gelesen werden, die jemals über eine Beförderung zu befinden hätten.
    Für jemanden, der keine Zukunft mehr hatte, war das eine leere Drohung. Aber er hatte weder die Energie noch den Willen, sich zu widersetzen, weshalb er erneut Dr. Pottle konsultierte und aus denselben Gründen Fragen zu seinen Träumen beantwortete.
    Der kettenrauchende Pottle hörte zu, das Haupt wolkenverhangen wie der Kilimandscharo, und sagte dann: »Wenn es Ihnen jemals gelingen sollte, aus dem Wald zu kommen, was hoffen Sie dann zu finden?«
    Hat konnte es noch nicht mal über sich bringen, ihren Namen zu nennen, was nur zeigte, wie trügerisch seines Wissens nach alle Hoffnung war.
    »Ja«, sagte Pottle, als hätte er eine Antwort erhalten. »Sie kann eine fürchterliche Sache sein, diese Hoffnung.«
    »Dachte, Hoffnung ist das, was Sie den Leuten zu geben versuchen«, sagte Hat.
    »O nein. Worum’s mir geht, ist Veränderung. Aber ich werde natürlich nie garantieren, dass sie zum Besseren ist.«
    Heute – an diesem Morgen, diesem Abend, welche Zeit in seinem Traum auch immer war – hatte sich zum ersten Mal etwas verändert. Die Bäume standen weiter auseinander, ein breiter Weg zog sich zwischen ihnen hindurch, und schließlich marschierte er durch dunstiges Sonnenlicht und Vogelgezwitscher, das dem Ohr des Ornithologen den anbrechenden Morgen ankündigte.
    Zunächst kam er rasch voran, verlangsamte aber bald seine Schritte, nicht weil

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