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Welch langen Weg die Toten gehen

Welch langen Weg die Toten gehen

Titel: Welch langen Weg die Toten gehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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den großen Zeh gewickelt und sich dann die Birne weggepustet.«
    »Ah«, sagte Pascoe.
    Einen Augenblick lang kam es ihm so vor, als gäbe es sonst nichts zu sagen. Dann war ihm, als gäbe es so viel zu sagen, dass er einen weiteren Augenblick brauchte, um die Worte in Reih und Glied zu bringen.
    »In seinem Arbeitszimmer … im selben Raum … und er hatte ein Buch vor sich auf dem Schreibtisch aufgeschlagen?«
    »Richtig. Aber da ich es noch nicht gesehen habe und Bonnick sagt, dass zu viel Blut und Hirn dranklebt, um den Titel entziffern zu können, kann ich nicht sagen, ob es dasselbe Buch ist.«
    »Aber wenn dem so ist – wobei ich davon ausgehe, dass du den gleichen Titel, nicht notwendigerweise denselben Band meinst –, worum handelt es sich dann dabei?«
    »Irgendeinen Gedichtband. Komische kleine Sachen. Von so einer Yankee-Tussi. Eleanor Dickson oder so ähnlich.«
    »Emily Dickinson?«
    »Genau. Ein wenig durchgeknallt. Hätte mir denken können, dass du sie kennst.«
    Ohne auf die Verunglimpfung seines literarischen Geschmacks einzugehen, rief sich Pascoe das Wenige ins Gedächtnis, das er über die Familiengeschichte der Maciver wusste. Er hatte Cressida einige Male getroffen, hatte sie für zu gefühlsbetont gehalten, und als er sich dummerweise laut die Frage stellte, warum Ellie mit einer aggressiven Männerhasserin befreundet sei, die sie jedes Mal, wenn sie besoffen war, zu vergewaltigen versuchte, hatte er sich belehren lassen müssen, dass er niemanden nach dem äußeren Schein beurteilen solle. Denn in ihrem Innersten, wurde ihm gesagt, hatte es Cress nämlich schrecklich nötig, dass sie bestärkt und geliebt werde, was wahrscheinlich auf ein Kindheitstrauma zurückzuführen sei, ausgelöst durch den frühen Tod der Eltern, worüber sie nie sprach.
    »Ich glaube, sie war in starkem Maß von ihrem Bruder abhängig, sie sind sich noch immer sehr nah, aber als er heiratete, hinterließ das eine Lücke in ihrem Leben. Sie ist auf der Suche nach einem starken Mann, an den sie sich anlehnen kann. Das Problem ist nur, die Scheißkerle kippen immer gleich um!«
    Nichts davon schien in diesem Fall relevant zu sein, weshalb er zu Dalziel sagte: »Dann ist das hier also die Kopie eines Selbstmords? Bist du deswegen gleich angelaufen gekommen?«
    »Angeschlendert«, sagte der Dicke. »Aye, du hast Recht. Der Blitz schlägt nie zweimal am selben Ort ein oder so. Es war nur müßige Neugier.«
    Lügner, dachte sich Pascoe, ohne zu wissen, warum er sich das dachte, aber überzeugt, dass er damit Recht hatte.
    »Es kann aber keine exakte Kopie sein«, sagte er. »Dieser Pal Maciver, der Vater, meine ich, der muss doch ein gutes Stück älter gewesen sein – er hatte Familie, eine zweite Frau.«
    »Mitte vierzig«, stimmte Dalziel zu. »Der Bursche muss – musste – kaum dreißig sein. War damals an der Uni, wenn ich mich recht erinnere.«
    »Und Cressida?«
    »Im Internat. Abschlussklasse. Sie war Schulsprecherin.«
    »Klar. Und die jüngere Tochter, Helen?«
    »Der mobile Brutkasten? Sie muss ungefähr neun gewesen sein. War damals mit ihrer Stiefmutter in den Staaten. Das ist die, die du draußen gesehen hast, das Klasseweib.«
    Letzterer Kommentar entging Pascoe nicht. In Dalziels Wortschatz signalisierte diese Bezeichnung gewöhnlich ein nicht geringes Maß an Hochachtung.
    »Sie wohnt noch in der Gegend?«
    »Aye.«
    »Kay Kafka, nicht wahr? Ist das ihr eigener Name?«
    »Nein. Sie hat wieder geheiratet.«
    »Jemanden, der Kafka heißt? Einen von den Kafkas aus Mid-Yorkshire?«
    »Sei kein Rassist«, tadelte Dalziel. »Ich kannte mal eine Familie Tschechow, die hatte einen Bauernhof in der Nähe von Hebden Bridge. Vergiss nicht, in der Nähe von Hebden Bridge ist alles möglich.«
    »Dann war dieser Kafka aus Hebden Bridge?« Pascoe ließ nicht locker.
    »Nein. Ein Yankee. Ihr Boss«, war die kurze Antwort.
    Da steckte mehr dahinter, dachte sich Pascoe, ganz bestimmt. Etwas, was unausgesprochen blieb. Er hatte die beiden neben dem Krankenwagen gesehen. Wenn sie nicht so schlank wäre, hätte er geglaubt, dass Dalziel Gefallen an ihr gefunden hatte. Aber seit langem stand unzweifelhaft fest, dass Gottes Gegenstück bei der Kriminalpolizei von Mid-Yorkshire Frauen nach seinem Ebenbild bevorzugte, das hieß, sie mussten mehr Fleisch auf den Knochen haben als ein doppeltes Lammkotelett.
    »Wie lautete damals das Urteil?«
    »Selbstmord, weil sein psychisches Gleichgewicht gestört

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