Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Welch langen Weg die Toten gehen

Welch langen Weg die Toten gehen

Titel: Welch langen Weg die Toten gehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
Vom Netzwerk:
ausschließen können. Aber daneben gibt es noch den Abdruck einer ganzen Handfläche von einer unbekannten Person. Das bedeutet?«
    »Weiß ich nicht, Sir.«
    »Ich auch nicht. Hier ist noch was. Auf dem Türknauf fanden sich nur Abdrücke von Sergeant Bonnick und den Constables Maycock und Jennison. Von sonst niemandem.«
    Erwartungsvoll sah er zu Novello.
    »Was ist mit Maciver?«, sagte sie. »Er musste den Knauf angefasst haben, um reinzukommen.«
    »Sollte man meinen«, sagte Pascoe. »Natürlich könnte es sein, dass seine Abdrücke überdeckt wurden, nachdem drei andere den Knauf nach ihm berührt hatten. Aber wie ist es zu erklären, dass auf dem Schlüssel nur ein teilweiser Abdruck gefunden wurde, der zudem nicht Maciver gehört?«
    »Schlüssel eignen sich schlecht fürs Puder«, sagte Novello. »Ein teilweiser Abdruck, der könnte schon seit Jahren dran sein. Vielleicht hat ihn auch Jennison abgewischt, um sich einen Spaß draus zu machen.«
    Pascoe schüttelte tadelnd den Kopf und drückte die Tür auf.
    Das Arbeitszimmer war lichtdurchflutet. In der Nacht zuvor waren auf seine Anordnung hin die Fensterläden geöffnet worden, um zu überprüfen, ob sie wirklich so fest verschlossen waren, wie es den Anschein hatte.
    Tatsächlich waren die Fensterverriegelungen durch den Rost nahezu zusammengeschweißt, und die Fensterrahmen hatten sich nach jahrelangem Nichtgebrauch kaum bewegen lassen, was Pascoe zu der Frage veranlasste, ob sie seit dem Tod von Pal Maciver senior zehn Jahre zuvor überhaupt einmal geöffnet worden waren.
    Er hatte angeordnet, die Fenster offen zu lassen, um etwas frische Luft herein- und den Geruch von Rauch, Kordit und Tod abziehen zu lassen.
    Novello starrte gebannt auf die gesprenkelte Schreibtischoberfläche und versuchte sich vorzustellen, was einen Menschen zu diesem Maß an Verzweiflung oder Selbsthass treiben konnte. Sie riss den Blick los und versuchte, die Atmosphäre des Raums in sich aufzunehmen. Zwei hohe Schränke, dicht bepackt mit Büchern, die meisten davon mit piekfeinen Lederrücken, um der ganzen Welt mitzuteilen,
wir sind so stinklangweilig, dass uns keiner mehr liest
. An der Wand das Bild eines Typen, der wie ein Landstreicher gekleidet war, gar nicht so übel aussehend, wenn er eine etwas freundlichere Miene aufgesetzt hätte; an der einen Seite davon ein zusammengerolltes Seil, zur anderen ein Eispickel, deren Funktionsweise ihr aus einer kurzen, aber unterhaltsamen Beziehung zu einem Bergsteiger vertraut war, der in ihr fast das Interesse an dieser Sportart geweckt hätte, nachdem er mit ihr eines Abends, als sonst niemand mehr da war, an der Kletterwand im Sportcenter ziemlich interessante Sachen angestellt hatte. Aber noch nicht mal die Aussicht auf eine Wiederholung konnte sie davon überzeugen, dass es sich lohnte, sich Wind, Wetter, Vegetation und der Insektenwelt auszusetzen, indem sie ihn auf Expeditionen in solch gottverlassene Gegenden wie Wales oder den Lake District begleitete.
    »Shirley«, sagte Pascoe in einem Ton, der zu erkennen gab, dass er sie nun nicht zum ersten Mal ansprach. »Sind Sie noch da? Gut. Sie haben die Akte zum vorherigen Fall gelesen. Rekapitulieren Sie mir die Abfolge der Ereignisse.«
    Novello konzentrierte sich.
    »Man fand heraus, dass er eine Schallplatte auf den Plattenspieler legte, ihn anschaltete, sich hinsetzte, einen Brief an seine Frau schrieb …«
    »Woher wissen wir, dass es ein Brief an seine Frau war?«, unterbrach Pascoe.
    »Weil der Umschlag an sie adressiert war. Aber er musste seine Meinung geändert haben. Vielleicht kam er zu dem Entschluss, dass der Gedichtband völlig ausreicht. Also zündete er den Brief an, ließ ihn in den Papierkorb fallen, zog seinen Schuh und die Socke aus, schob die große Zehe durch die Schlaufe des Fadens, dessen anderes Ende an den Abzug des Gewehrs gebunden war, legte sich den Lauf unters Kinn und knallte sich den Kopf weg.«
    »Interessant. Warum hat er den Brief verbrannt? Gibt es da Mutmaßungen?«
    »Davon steht nichts in der Akte. Ich nehme an, er hat was geschrieben, und als er es für sich noch mal durchlas, hat es ihm nicht gefallen. Vielleicht was Gemeines, vielleicht hat er ihr die Schuld zugeschoben. Sir, warum machen Sie sich Gedanken über das, was der Vater vor zehn Jahren getan hat? Sollten wir uns nicht lieber auf das konzentrieren, was der Sohn letzte Nacht angestellt hat?«
    »Aber wir wissen doch, warum der Sohn alles so gemacht hat«, sagte Pascoe.

Weitere Kostenlose Bücher