Wellentänze: Roman (German Edition)
die Dinge lagen, würde sie improvisieren müssen. Was wahrscheinlich kein Problem darstellen würde – trotz all ihrer flehentlichen Bitten, es zu unterlassen, hatte ihre Schwester ihr sämtliche drei Geburten Wehe für Wehe haarklein erzählt. Einige Bruchstücke trieben jetzt wieder an die Oberfläche ihres Bewusstseins: Petidyne machte einen nur schläfrig. Gas und Luft brachten nicht viel, aber immerhin etwas, und dann gab es da noch irgendwelche Apparate. Bevor sie jedoch einen vernünftig klingenden Satz vorformulieren konnte, war sie bereits an der Reihe.
»Ich heiße Julia ...«
»Und ich bin Fergus.«
»Das Baby soll Anfang Februar kommen«, erklärte Julia. Sie versuchte, Fergus zu ignorieren, stellte aber fest, dass es ihr unmöglich war. Lucasta schien sie beide besonders eindringlich zu mustern. Wahrscheinlich versuchte sie herauszufinden, ob es eine Art Versöhnung zwischen ihnen gegeben hatte und sie Julia nicht länger als alleinerziehende Mutter einzustufen brauchte.
»Und was für eine Art Geburt hätten Sie gern?«
Julia erstarrte. Am liebsten hätte sie geantwortet: »Ich würde es bevorzugen, wenn jemand anderes das für mich erledigte«, aber die Atmosphäre im Raum war zu ernst für Witze. Sie konnte sich auf keine einzige vernünftige Antwort besinnen und stand außerdem noch immer unter dem Schock von Fergus’ plötzlichem Erscheinen. Es war unmöglich von ihm, hierher zu kommen, ohne ihr Bescheid zu geben, unmöglich, dass er überhaupt hergekommen war. Aber Rachepläne würden Lucasta nicht dazu bringen, sich dem nächsten Paar zuzuwenden. Julia öffnete den Mund: »Also ...«
»Wir wissen noch nicht viel über diese Dinge«, mischte sich Fergus ein. »Aber obwohl wir das Baby auf möglichst natürliche Art und Weise bekommen möchten, wollen wir uns doch nicht von vornherein gegen effektive Schmerzmittel stellen, falls diese sich als notwendig erweisen sollten.«
»Gute Antwort«, erwiderte Lucasta. »Wir alle würden unsere Babys am liebsten in einem Wigwam bei Kerzenlicht bekommen, nur mit Hilfe von Kräutern, die ins Feuer geworfen werden ...« Sie warf einen Blick auf die beiden Hippies. »Aber die meisten von uns brauchen ein wenig Hilfe.«
Das Hippiepärchen errötete. Jetzt waren sie an der Reihe. »Mein Name ist Ayrian«, sagte der Mann.
»Und ich heiße Thrush«, erklärte sie.
»Und wir wollen keine Medikamente, die die Plazenta durchdringen können«, fügte Ayrian hinzu.
»Ich hätte gern eine Geburtswanne, Akupunktur und meine beste Freundin im Kreißsaal dabei, und natürlich Ayrian.« Thrush drückte die Hand ihres Partners.
»Klingt vernünftig«, erwiderte Lucasta. »Sie sollten sehr genau darüber nachdenken, ob Sie Ihre Partner bei der Geburt dabeihaben möchten oder nicht. Dieses Erlebnis kann zwei Menschen einander sehr nahe bringen, aber wenn die Vorstellung einem von Ihnen widerstrebt, kann niemand Sie dazu zwingen.«
»Wenn du glaubst, dass du dabei sein wirst«, zischte Julia mit zusammengebissenen Zähnen, »dann hast du dich geschnitten.«
Fergus tat so, als hätte er nichts gehört.
Endlich war die Runde komplett. Der Wunsch nach Schmerzmitteln war bei den werdenden Müttern unterschiedlich stark entwickelt. Es gab eine Frau, die jedes Medikament auf Erden haben wollte – einschließlich einer Vollnarkose, falls man ihr eine solche zusätzlich zur Epiduralanästhesie erlaubte –, aber auch einige andere, die nur ein bisschen Gas wollten. Dann waren da noch Ayrian und Thrush. Sie hatten mehr darüber gelesen, wie Kinder in den entferntesten Winkeln der Erde zur Welt kamen, als die meisten Anthropologen, und dies war ihre große Chance, ihr Wissen mit anderen zu teilen.
Einer tapferen Seele wurde es schließlich zu viel, einem Mann mit kurzem Haar und sehr breitem Ehering, der, sich windend, Berichte von Frauen über sich hatte ergehen lassen, die sich die Nabelschnur durchbissen und ihre Plazenta verzehrten (»wegen all der Mineralien und Vitamine, die normalerweise einfach weggeworfen werden«). »Warum«, fragte er, »sind Sie zu einem stinknormalen Geburtsvorbereitungskurs des staatlichen Gesundheitsdienstes gekommen, wenn Sie auf diesen ganzen Naturquatsch stehen? Warum haben Sie sich nicht etwas ...« Er suchte nach einem passenden Wort, verwarf den Ausdruck »ekelhaft« und sprach schließlich weiter: »... etwas Exotischeres gesucht?«
»Thrush leitet montags einen Traumworkshop«, erklärte Ayrian. »Und ich habe mittwochs meinen
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