Wellentänze: Roman (German Edition)
enorm darunter gelitten, dass du mich nicht heiraten willst«, fuhr er gelassen fort. »Alle halten mich für einen Bastard.«
»Was dir nicht allzu viel auszumachen scheint. Aber ich schlage bei jeder Gelegenheit eine Bresche für dich. Um dir möglichst viel Ärger zu ersparen, habe ich Mom erzählt, wie besorgt du um mich seist, was sie leider nur in ihrer Meinung bestärkt hat, ich müsse verrückt sein, dich nicht zu heiraten.«
»Hm, du hast sicher schon einmal das Sprichwort gehört, dass selbst Hypochonder manchmal krank werden?«
»Ja ...«
»Nun, man könnte auch sagen: Selbst Mütter geben manchmal gute Ratschläge.«
»Das mag sein, wie es will, aber meine Mutter hat mir in meinem Leben schon zu viele Ratschläge gegeben. Und ich habe nicht die Absicht, jemanden zu heiraten, den seine Mutter erst dazu bringen musste, es zu tun!«
Zu Julias beträchtlicher Überraschung antwortete Fergus ihr nicht sofort. Das Schweigen zwischen ihnen wuchs wie ein eisiger Ballon, zerbrechlich zwar, aber mit Händen zu greifen. Julia riskierte einen Seitenblick, doch mehr als sein unbeugsames Profil bekam sie nicht zu sehen.
»Falls und wenn ich dich heirate, Julia«, erklärte Fergus nach einer ganzen Weile, »dann wird das nicht das Geringste mit meiner oder mit deiner Mutter zu tun haben.«
Julia fiel nichts ein, was sie darauf hätte erwidern können. Bisher hatte sie sich bei Fergus immer absolut sicher gefühlt. Jetzt war es, als säße ein völlig unberechenbarer Mann neben ihr im Wagen. »Hier muss ich nach links abbiegen, nicht wahr?«, fragte sie schließlich, um das Gespräch auf ein neutrales Thema zurückzulenken.
»Nein, nach rechts.« Noch immer beherrscht von irgendeinem unspezifischen Gefühl, ließ er nun seinen Ärger an der Autoschlange aus, die sich hinter ihnen gebildet hatte. »Ich habe meine Meinung geändert, was den Flugplatz betrifft. Du kannst das Parken in echten Parklücken üben.«
In ihrer Verwirrung musste Julia entdecken, dass sie vergessen hatte, wie man nach rechts abbog. Sie fuhr an der Abfahrt vorbei, die er hatte nehmen wollen, und wurde mit einem ärgerlichen Zischen belohnt. Das sah Fergus überhaupt nicht ähnlich.
»Tut mir Leid, ich habe vergessen, was ich tun muss.« Bisher war es ihr nicht weiter schwer gefallen, Fergus Fragen zu stellen, aber er war plötzlich vollkommen unnahbar geworden. »Könntest du es mir noch einmal erklären?«
Er ging die einzelnen Schritte erneut geduldig mit ihr durch, aber sie hatte dennoch das Gefühl, dass der freundliche Fergus, der ihr bisher das Autofahren beigebracht hatte, verschwunden war. Stattdessen hatte er sie mit diesem wie versteinert aussehenden Individuum allein gelassen, das ihr jeden Augenblick den Kopf abreißen konnte. Je eher sie sich ein paar richtige Fahrstunden verschaffte, desto besser. Der Scheck ihrer Mutter war bereits angekommen, und einzig die beängstigende Frage, für welche Fahrschule sie sich entscheiden sollte, hielt sie noch von weiteren Schritten ab.
»Möchtest du auf einen Tee mit hineinkommen?«, fragte sie Fergus, als die Fahrstunde endlich zu Ende war und sie aufhören durfte, durch einen Kreisverkehr nach dem anderen zu fahren, sich in dichten Verkehr einzufädeln und im Rückwärtsgang um Ecken zu biegen, wo es obendrein bergan ging.
»Nein, danke, ich habe noch etwas zu erledigen. Ist es dir recht, wenn wir die nächste Fahrstunde am Dienstag machen?«
»Nein. Da habe ich zum ersten Mal meine Geburtsvorbereitung. Mittwoch?«
»In Ordnung. Sechs Uhr?«
»Passt mir gut.«
Julia schauderte, denn sie sah Fergus plötzlich in der Rolle des strengen Vaters. Wie würde sie zurechtkommen, fragte sie sich, wenn ihr Kind in Schwierigkeiten geriet? Würde sie es hinnehmen können, wenn ein anderer als sie selbst es zur Ordnung rief?
Ledige Mütter wurden heutzutage nicht mehr stigmatisiert, wie es früher der Fall war. Viele Frauen entschieden sich inzwischen dafür, Kinder zu bekommen, ohne einen Ehemann zu haben. Die Gesellschaft hatte sich an diese Vorstellung gewöhnt und ächtete die betroffenen Frauen nicht mehr. Zumindest versuchte Julia sich das einzureden, als sie den Raum betrat, der voller entspannt plaudernder Paare war. Sie konnte sich alle Frauen hier in Hochzeitskleidern vorstellen und all die Männer in eigens für diesen Anlass gekauften Anzügen oder in geliehenen Cuts. Ein Pärchen war jedoch dabei, das vielleicht nicht in weißem Tüll und schwarzem Kammgarn den Gang
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