Wellentänze: Roman (German Edition)
gelassen. Dann war ich viel außer Landes, um einen Abschluss mit einer großen finnischen Firma abzuwickeln.« Julia bemerkte, dass ihre Chefin sie nervös ansah. Bei ihrer Bewerbung hatte sie sich als eine Art bessere Sekretärin beschrieben.
»Ich wusste gar nicht, dass du so eine hochkarätige Stelle hattest. Bei deinem Vorstellungsgespräch hast du mir jedenfalls nichts davon erzählt.«
»Wenn ich es getan hätte, hättest du mich dann genommen?«
Suzy blies langsam den Atem aus. »Auf keinen Fall! Ich hätte eine Todesangst vor dir gehabt.«
»Ich wollte dich nicht hintergehen. Und der ganze Kram, den ich bei Strange’s gemacht habe, spielt für die Arbeit auf einem Hotelboot überhaupt keine Rolle. Ich wäre furchtbar enttäuscht gewesen, wenn ich nicht mal ein Vorstellungsgespräch bekommen hätte.«
»Und ich wäre in Teufels Küche gekommen, wenn ich dich nicht eingestellt hätte.« Suzy kicherte. »Aber was willst du denn nun wegen dieser Diebstahlklage unternehmen?«
Julia zuckte die Schultern. »Meinem Bruder davon erzählen, denke ich. Er ist Rechtsanwalt. Normalerweise beschäftigt er sich zwar mit so langweiligen Dingen wie Übertragungsurkunden und Grenzstreitigkeiten, aber irgendetwas wird ihm da schon einfallen. Er hat zu meiner Schwester gesagt, er würde mir helfen, falls ich wegen meiner Kündigung vor ein Arbeitsgericht gehen will.«
»Und stattdessen verklagen die jetzt dich.«
»Ich weiß. Eine Ironie des Schicksals, nicht wahr?«
Suzy, die soeben noch trübselig vor sich hin gestarrt hatte, strahlte plötzlich. »Ich habe eine Idee! Lass uns einen Brandy trinken! Wir feiern, dass du hier bist und dass du die richtige Art von Bruder hast – und außerdem wird uns der Brandy helfen, später einzuschlafen. Ich hole die Flasche.«
Am nächsten Morgen – zu früh für ihre Schwester, die wieder eine schlimme Nacht mit Petal hinter sich hatte – griff Julia zum Telefonhörer. »Ange, tut mir Leid, wenn ich dich nerve, aber könntest du für mich Rupert anrufen? Ich habe keine Zeit, mir seine Standardpredigt anzuhören.«
»Worum geht’s denn?« Angela ihrerseits hatte keine Zeit für höfliche Floskeln.
»Der verdammte Peter Strange verklagt mich. Ich hätte Papiere aus dem Büro mitgenommen.«
»Was? Das ist aber komisch. Du hast es doch nicht getan, oder?«
»Natürlich nicht! Ich nehme an, Darren hat die Unterlagen verlegt, das ist alles. Aber ich könnte etwas juristische Rückendeckung von Rupe gebrauchen.«
Angela gähnte laut. »Ich rufe ihn an, sobald ich eine Minute Zeit zum Telefonieren finde. Oh, was gäbe ich nicht darum, eine Nacht durchschlafen zu können!«
Julia war voller Mitgefühl. »Babys können einen wirklich fertig machen. Bloß gut, dass ich Oscar nicht geheiratet habe, ich hätte das nie geschafft.«
Bei dieser Bemerkung wurde Angela plötzlich hellwach. »Ich bin auch froh, dass du Oscar nicht geheiratet hast, aber nicht wegen der Kinder. Meine Kinder sind mein Leben.« Sie gähnte abermals. »Du wirst deine Kinder genauso lieben, wenn du jemals welche haben solltest.«
»Ja, ja, das werde ich bestimmt, falls ich je so eine Dummheit begehen sollte – aber genug davon. Du sprichst mit Rupert?«
»Sobald ich die Chance dazu habe.«
»Du wirst sehen, alles wird bestens laufen!«, sagte Suzy zuversichtlich, während Julia ein Tablett mit Kaffee vorbereitete. »Wayne bedient das Ruder, als hätte er nie etwas anderes getan. Die Passagiere haben alle kapiert, was sie tun müssen – bis auf Delphine –, und alles läuft wie am Schnürchen! Ich verstehe gar nicht, warum alle so viel Wind um diesen Kanal machen!«
Plötzlich gab es einen Knall, der die Kaffeebecher vom Tablett in die Spüle krachen und Suzy sofort an Deck stürzen ließ. Julia, die den Kuchen gerade noch auffangen konnte, bevor er auf dem Boden landete, folgte ihr nach draußen.
»Verdammte Scheiße! Was denkst du dir eigentlich?« Es war ein grimmig dreinblickendes junges Mädchen in Arbeitshosen, das auf dem Dach eines zwanzig Meter langen Kanalbootes stand. Die junge Frau beschimpfte Wayne mit einer Hingabe, wie Julia sie nicht oft erlebt hatte. »Jetzt hast du das verdammte Motorboot blockiert. Wirklich, herzlichen Glückwunsch!«
Suzy funkelte die junge Frau wütend an und holte tief Atem, um ihren Goldjungen zu verteidigen. Aber nachdem sie die Situation erfasst hatte, änderte sie ihre Meinung, schob Wayne beiseite und setzte die Pyramus ein Stück zurück, damit sie sich
Weitere Kostenlose Bücher