Wellentänze: Roman (German Edition)
wirklich Leid, dass ich dich ins Wasser gestoßen habe. Das war unverzeihlich von mir. Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist.«
»Ich nehme an, du hast es in letzter Zeit einfach übertrieben. Du bist übermüdet, das passiert Frauen manchmal.«
»Aber egal, wie müde ich war, ich hätte dich auf keinen Fall in den Kanal werfen dürfen.« Julia musste sich beherrschen, um den entschuldigenden Klang ihrer Stimme aufrechtzuerhalten. Gleich würde er ihre Periode für ihr Benehmen verantwortlich machen. Nicht dass er das Wort tatsächlich verwenden würde.
»Und vielleicht näherst du dich ja auch ›dieser speziellen Zeit des Monats‹?«, sagte er.
Julia musste sich zwingen, ruhig darauf zu antworten. »Mein Benehmen hatte weder mit Hormonen noch mit Müdigkeit zu tun. Es gibt keine Entschuldigung dafür, Oscar. Es war schlicht und einfach Übellaunigkeit. Es tut mir sehr Leid, und ich hoffe, deine Mutter hat sich deswegen nicht allzu sehr aufgeregt.« In diesem Augenblick kam Sooty herbeigewuselt. »Wie ich sehe, hat immerhin Sooty sich gut erholt«, fügte sie hinzu.
»Nun, er war ganz in seinem Element. Sooty war über und über voller Schlamm. Wir beide waren voller Schlamm. Bloß gut, dass dieser Mann auftauchte, der mich rausgezogen hat. Übrigens, was ist eigentlich aus ihm geworden? Ich habe ihn erst wiedergesehen, als wir gestern Abend zurückkamen.«
»Ich glaube, er sprach davon, dass er sein Gepäck am Bahnhof vergessen hat und noch mal zurückgehen musste.«
Oscar kratzte sich am Kopf. »Das ist aber komisch. Ich hätte schwören können, dass er mehrere Taschen bei sich hatte. Sie standen auf dem Treidelpfad, als ich an Land kam.«
Julia wurde rot und war fest davon überzeugt, dass Oscar es bemerken würde. »Nun, ich kann dir wirklich keine Auskunft darüber geben, da ich nicht dabei war.«
»Wo bist du eigentlich abgeblieben?«
»Ich habe einen sehr langen Spaziergang gemacht. Danach ging es mir viel besser.«
Das entsprach in gewisser Hinsicht sogar der Wahrheit. Sie hatte sich anschließend wirklich viel besser gefühlt. Vielleicht war diese Sonntagszeitung ja im Irrtum. Möglicherweise war Sex doch ein elementares Bedürfnis. Wenn da bloß nicht diese gefühlsmäßigen Nebenwirkungen gewesen wären!
Als Nächstes würde sie sich Fergus stellen müssen, eine Begegnung, vor der sie große Angst hatte. Es würde viel schwieriger sein, mit ihm fertig zu werden als mit Oscar, weil ihre Gefühle dabei ins Spiel kamen. Und zwar in einem solchen Maße, dass Julia beileibe nicht hätte sagen können, was sie eigentlich empfand. Sie wusste nur, dass ihr so etwas auf keinen Fall noch einmal passieren durfte. Es war wunderschön gewesen, mit ihm zu schlafen, aber Sex bedeutete für sie Gefühle und eine Art von Bindung, und genau das wollte sie im Augenblick nicht. Sie war zu müde und zu beschäftigt. Und am Ende der Saison wollte sie auf Reisen gehen und nicht mehr Ballast mitnehmen, als sie in einen Rucksack packen konnte.
Einen Augenblick lang dachte sie wehmütig an Suzy und deren lässige Einstellung zum Thema Sex. Suzy vermittelte Julia den Eindruck, dass sie kein Problem darin gesehen hätte, sich ein paar Nachmittage mit Fergus ins Heu zurückzuziehen und sich dann ohne Bedauern und um etliche lustvolle Erinnerungen bereichert von ihm zu verabschieden. In Julias Fall lagen die Dinge sehr viel komplizierter. Und selbst wenn es anders gewesen wäre – schließlich konnte nicht die gesamte Bootsbesatzung am Nachmittag auf eine siesta amorosa untertauchen.
Nein, es durfte nie wieder passieren, das würde sie Fergus erklären. Wie viel einfacher alles gewesen wäre, hätte es sich bei dieser ländlichen Idylle tatsächlich um einen erotischen Traum gehandelt. Als sie am Morgen aufgewacht war, hatte sie sich einen Augenblick lang gefragt, ob das Ganze nicht eine Ausgeburt ihrer sexhungrigen Fantasie gewesen sein könnte. Aber dann war die Wirklichkeit mit Macht über sie hereingebrochen, und sie musste die Tatsache akzeptieren, dass sie wirklich mit Fergus geschlafen hatte, mit Fergus, den sie von Kindesbeinen an gehasst hatte und den ihre Mutter als Schwiegersohn auserkoren hatte. Es war noch dazu auf einem Feld passiert, nur eine Meile entfernt von Oscar und allen Verpflichtungen.
Fergus’ Kuss war schon eine Überraschung gewesen. Allein dieser Kuss hätte sie mit reichlich Stoff zum Nachdenken versorgt. Aber dass sie sich ihm hingegeben hatte – nein, dass sie ihn vielmehr
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