Wellentänze: Roman (German Edition)
ermutigt hatte, sie zu streicheln, sie auszuziehen und schließlich mit ihr zu schlafen, das war verwirrend genug, um einen Therapeuten jahrelang zu beschäftigen. Wie hatte sie nur so verrückt sein können? Fergus hätte jederzeit aufgehört. Tatsächlich erinnerte sie sich schwach, dass er mehr hatte reden als küssen wollen, dass sie ihn jedoch zum Schweigen gebracht hatte. Je länger sie darüber nachdachte, desto schlimmer wurde es. Wenn sie Fergus jetzt wiedersah, würde es ein Gefühl sein, als träumte sie, nackt die Hauptstraße hinunterzulaufen, nur um dann aufzuwachen und festzustellen, dass sie es tatsächlich tat.
Möglicherweise, dachte sie, während sie grimmig Aprikosen fürs Müsli hackte, war ihr in gewisser Weise genau das passiert. Wahrhaftig, den Frauen, die ihren One-Night-Stands nie wieder gegenübertreten mussten, blieb einiges erspart.
Es war ein unglückliches Zusammentreffen, dass Fergus – zweifellos in dem Bemühen, taktvoll zu sein – genau in dem Augenblick hereinkam, als Julia auf der Suche nach einer frischen Packung Cornflakes halb in der Kiste unter der Koje in ihrer Kabine steckte. Als er sie ansprach, schrie sie auf und stieß sich den Kopf.
»Oh – au! Warum schleichst du dich so an?«
»Entschuldige. Ich wusste nicht, dass du den Kopf unter dem Bett hattest, als ich hereinkam. Reib die Beule mit Arnikasalbe ein.«
»Ich habe keine Arnikasalbe. Und du klingst genauso wie meine Mutter.«
»Julia, mir ist klar, dass ich mich nicht gerade wie der perfekte Gentleman benommen habe, aber könntest du vielleicht, nur vielleicht, aufhören, mich zu Entschuldigungen für Dinge zu zwingen, für die ich nichts kann?«
Julia drückte die Cornflakes schützend an sich. »Tut mir Leid. Ich fühle mich ein bisschen ...« Sie suchte nach einer Möglichkeit, den Wirbelsturm der Verwirrung zu beschreiben, der in ihr tobte, und stieß nur hervor: »Mies.«
Auf dem Weg zur Kombüse überhäuften sie einander mit Entschuldigungen. »Hast du Oscar schon gesehen?«, fragte Fergus.
Sie nickte. »Und du? Hast du ihn gesehen?«
»Vor ein paar Sekunden. Er wollte mit Sooty Gassi gehen.«
»Als ich ihn gesprochen habe, schien er nicht recht zu glauben, dass du etwas am Bahnhof vergessen hattest. Er meinte, du hättest eine Menge Zeug am Ufer stehen gehabt.«
»Ich weiß. Ich glaube, ich konnte verhindern, dass er sich diesbezüglich irgendwelche Ideen in den Kopf setzt.«
Julia stieß einen Laut der Verachtung aus. »Oscar hat nicht genug Fantasie, um auf Ideen zu kommen.«
»Glaub das nur nicht. Er würde jedes männliche Wesen unter siebzig verdächtigen, das sich seiner Auserwählten auch nur auf einige Meter nähert. Und diese Auserwählte bist du.«
Plötzlich überschwemmte sie eine furchtbare Müdigkeit. Die wenigen freien Stunden gestern Nachmittag waren nicht genug gewesen. Sie brauchte drei Wochen weit weg von allen Booten. »Ich kann nicht glauben, dass Oscar wirklich etwas für mich empfindet.«
»Stimmt.« Ärgerlicherweise gab Fergus ihr Recht. »Bei ihm ist das eher eine Sache des Territoriums. Er hat dich als Erster gesehen, deshalb gehörst du ihm.«
»Soll das heißen, er hat den Verdacht, dass zwischen uns etwas läuft?«
»Ich fürchte, so ist es.«
Julia dämmerte etwas Schreckliches. »Du hast ihn doch nicht etwa in dieser Annahme bestärkt, oder? Ich meine, du hast ihm klar und deutlich gesagt, dass er sich da im Irrtum befindet?«
»Aber es ist doch etwas gelaufen. Das kannst du unmöglich vergessen haben.«
Julia spürte, dass sie zu zittern begann. »Fergus, du hast ihm doch nicht erzählt, was gestern zwischen uns vorgefallen ist?«
Er zögerte gerade lange genug, um ihren schwachen Zweifel in schreiende Gewissheit zu verwandeln. »Natürlich nicht.«
Sie wischte sich mit der Hand über die Augen. »Aber was hast du zu ihm gesagt?«
»Nicht allzu viel. Ich habe nur erklärt, ich sei ein alter Freund der Familie. Das hat ihm nicht geschmeckt. Und ich habe das Gefühl, er glaubte mir nicht, als ich andeutete, dass sonst nichts zwischen uns sei.« Jetzt war ihr wirklich übel. »O Gott. Ist es denn noch nicht schlimm genug, dass ich mich wie das letzte Flittchen benommen und mit jemandem geschlafen habe, der praktisch ein Fremder ist? Jetzt weiß es Oscar auch noch.«
»Er weiß gar nichts. Übertreib nicht. Er hat lediglich den Verdacht, dass wir etwas füreinander ... empfinden.«
»Das ist fast genauso schlimm. Und wir haben ihn und seine Mutter noch
Weitere Kostenlose Bücher