Wellentänze: Roman (German Edition)
schlafen, als hätten wir uns ...«, sie hielt kurz inne, »... in einer Singlebar kennen gelernt.«
»Ich war noch nie in einer Singlebar. Aber immerhin haben wir fast eine Woche lang unter demselben Dach gewohnt.«
»Aber wir haben nicht miteinander gesprochen. Ich hatte sogar vergessen, dass du Archäologe bist, bis einer der Fahrgäste mich daran erinnerte.«
»Nun, wessen Schuld war das denn?«
Fergus’ Haar war blonder geworden, zweifellos ein Verdienst der toskanischen Sonne. »Ich weiß, dass es meine Schuld war, deshalb ist das Ganze ja so schrecklich.«
»Ich fand es keineswegs schrecklich. Du etwa?«
Julia war durch und durch ehrlich. Zwar mochte sie jetzt das Gewissen quälen, aber sie konnte nicht leugnen, dass es ihr vorhin ungemein gefallen hatte. »Nein. Es war wunderbar. Aber die Sache an sich, ich meine, dass wir miteinander geschlafen haben, obwohl wir uns gar nicht kennen, obwohl wir uns gar nichts bedeuten – das war absolut falsch und unmoralisch. Ich bin nicht der Typ, der solche Dinge tut, und ich glaube, du bist es auch nicht.«
»Im Allgemeinen nicht, nein.«
»Hm, dann akzeptieren wir am besten einfach, dass wir uns beide vollkommen untypisch benommen habe, dass es ein One-Night-Stand war ...«
»Genau genommen, haben wir Nachmittag.«
»... ein One-Night-Stand am Nachmittag. Und dass es niemals hätte passieren dürfen.«
»Ich gebe dir Recht. Es war unorthodox.«
»Unorthodox! Nur du bist imstande, ein solches Wort in einem solchen Augenblick zu benutzen!«
»Aber was das Kennenlernen betrifft – das könnten wir doch nachholen. Und wenn wir uns dann kennen, könnten wir mit gutem Gewissen wieder miteinander schlafen.«
Julias Augen weiteten sich vor Entsetzen. »Nein. Niemals wieder. Es tut mir leid, aber das kann ich unmöglich tun! Ich hatte die Absicht, nach Ende der Saison auf Reisen zu gehen, und ich ...« Sie geriet ins Stocken. Sie wollte nicht aussprechen, dass sie nicht mit gebrochenem Herzen auf Reisen gehen wollte und dass für sie Sex und Liebe unmittelbar zusammengehörten. Sie konnte nicht ohne Liebe noch einmal mit ihm schlafen, und wenn sie ihn liebte, wie konnte sie dann ihre Unabhängigkeit bewahren? »Bitte, sprich nie wieder darüber, weder mit mir noch mit irgendjemandem sonst. Es war einfach ein Fehltritt.« Fergus hatte sich so gesetzt, dass die Sonne jetzt hinter ihm stand und sie seinen Gesichtsausdruck nicht sehen konnte. Deshalb vermochte sie auch nicht festzustellen, ob sie ihn tödlich gekränkt hatte oder nicht. Sie biss sich auf die Unterlippe. »Jetzt muss ich wirklich zurück zum Boot und eine Dusche nehmen.« Sie räusperte sich, bis das aufkeimende Schluchzen aus ihrer Kehle verschwand. »Falls dieses Miststück mir noch einen Tropfen Wasser übrig gelassen hat!«
Es kostete Julia eine gewaltige Portion Mut, zurückzukehren und den anderen in die Augen zu sehen, und es wäre auch nicht anders gewesen, wenn sie in der Zwischenzeit nicht mit Fergus geschlafen hätte. Sie hatte sich einfach unmöglich benommen, hatte mit einem Fahrgast die Geduld verloren, ihn in den Kanal gestoßen und war dann stundenlang von der Bildfläche verschwunden.
Als sie zu den Booten zurückkam, herrschte dort ungewöhnliche Stille. Es kamen auch keine hysterischen Schreie aus dem Salon, als sie an Bord ging, ebenso wenig wie aus den Fenstern der Kombüse Rauch aufstieg. Julia fasste ein wenig Mut und fragte sich, ob sie sich vielleicht heimlich in ihre Kabine stehlen und duschen konnte, bevor sie ihre Anwesenheit kundtat. Anderenfalls, davon war sie fest überzeugt, brauchte man nur einen einzigen Blick auf sie zu werfen, um zu wissen, was sie getrieben hatte. Aber es sollte nicht sein. In dem Augenblick, als sie einen Fuß auf das Dollbord setzte, tauchte Suzy auf.
»Julia!«, sagte sie herzlich. »Wir geht es dir?«
Julia war verwirrt. »Suzy, es tut mir so Leid ...«
»Julia, mir tut es Leid! Es ist alles meine Schuld. Ich habe dir viel zu viel aufgebürdet. Kein Wunder, dass du ausgeflippt bist.«
»Ist mit Oscar alles in Ordnung?« Der bloße Gedanke an das, was sie mit ihm gemacht hatte, trieb Julia die Schamröte ins Gesicht.
»Alles bestens. Er ist mit seiner Mutter mit einem Taxi nach Oxford gefahren.«
Bei dieser Bemerkung wurden Julias Lebensgeister sofort munter. Die Sache hatte vielleicht doch ihr Gutes, wenn Oscar und seine Mutter deswegen nach Hause gefahren waren. »Was? Sind sie abgereist?«
Suzy schüttelte den Kopf. »Sie sind
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