Wellentraum
der Hand über seine Wange streichen.
Wann hatte er sich zum letzten Mal rasiert?
Wann hatte er zum letzten Mal geschlafen?
Sie wusste, dass er gestern Abend am Strand gewesen war und dann wieder heute Morgen. Er wolle den Tatort absuchen, hatte Lucy ihr erklärt. Mit Leuten sprechen. War er überhaupt im Bett gewesen?
Während sie ihn betrachtete, krallte sich seine offene Hand in die Kissen auf der Couch. Er fröstelte, als wäre ihm kalt.
Sie war es nicht gewohnt, zu verzichten. Es gefiel ihr nicht. Aber Caleb war offenbar am Ende seiner Kräfte.
Mit einem Seufzer kehrte Margred ins Schlafzimmer zurück, nahm die Decke von seinem Bett und breitete sie über ihm aus.
[home]
11
S ein Traum stank nach Schießpulver und Metall, nach Blut und Angst. Schweiß rann unter seinem Helm und unter seinen Achseln hervor.
Caleb brüllte: »Spring rein! Spring rein!«
Specialist Mike Denuncio spurtete auf den Humvee zu und warf sich auf den schmalen, schaumgepolsterten Rücksitz. Eine Salve Einschläge folgte darauf wie eine Böllerserie am vierten Juli.
»Los, los, los!«, befahl Caleb.
Der Humvee geriet ins Schleudern. Keuchend und fluchend schaltete der Fahrer, der neunzehnjährige Specialist Danny Torres, einen Gang herunter. Der V 8 -Motor ratterte und knatterte. Das Funkgerät kreischte und pfiff. Schreie. Schüsse. Wieder Einschläge, diesmal lauter. Näher.
Vom Geschützturm aus verpestete das 50 -Kaliber-Maschinengewehr die Kabine mit Staub und Lärm. Mike lud nach und knallte ein neues Magazin in die Kammer seiner M 16 . Aus dem Funkgerät krächzte es Englisch und Arabisch. Der Humvee brach seitlich aus und schlingerte.
»Schaut nach rechts. Rechts! Auf dem Dach.«
Mit hämmerndem Herzen erwiderte Caleb das Feuer. Durch die mit Einschüssen übersäte Windschutzscheibe sah er das Fahrzeug vor ihnen auf- und abhüpfen, während es röhrend dem Hinterhalt zu entkommen versuchte. Die flache, gesichtslose Straße verlief zwischen einer Reihe von Betonbunkern. Der Humvee nahm Fahrt auf.
»Alles okay?«, rief Caleb.
»Okay!«
Mike zeigte ihm rasch den erhobenen Daumen.
Ein grünweißes Fernstraßenschild mit arabischer Beschriftung geriet über ihren Köpfen in Sicht. Jemand hupte. Ein Fahrzeug bummelte auf der Mittellinie dahin.
Rushhour nach Iraki-Art.
Caleb atmete wachsam ein.
Und dann explodierte die Straße in einer Druckwelle aus Rauch und Schmerz.
Er konnte nicht mehr atmen.
Er konnte nichts mehr sehen.
Er konnte nicht mehr denken.
Würgend lag er im Sand, während Asphaltstücke scharf wie Granatsplitter auf ihn herabregneten. Er bedeckte den Kopf mit den Händen. Da, unter seinem Arm, war das ein …? Stiefel. Nur ein Stiefel und ein Fuß und eine Stiefelmarke, auf der jemandes Blutgruppe eingestempelt war, jemandes Sozialversicherungsnummer … die seines Geschützführers. Jackson.
Großer Gott.
Der stechende Geruch von Blut und Verbranntem überrollte ihn. Seine Beine … sein linkes Bein gehorchte ihm nicht mehr. Er begann, zu Danny hinüberzukriechen. Zusammengekrümmt lag er ein paar Meter entfernt, die Uniform zerrissen und schwarz von Blut und Ruß. Er musste ihm helfen, ihn retten.
Kriech.
Schmerz pulste durch ihn und raubte ihm die Kraft, den Atem.
Kriech.
Er legte dem Jungen eine Hand auf die Schulter und drehte ihn um. Und starrte in Maggies Gesicht.
Ihr Kopf wackelte. Eine Gesichtshälfte war schwarz vor Blut. Es sickerte durch ihr Haar und tropfte auf den Boden. Verzweiflung ergriff ihn. Er kam zu spät, sie war tot, er hatte sie nicht retten können …
Sie öffnete die Augen – blaue Augen, Dannys Augen – und sprach.
»Wach auf«, sagte sie.
Caleb wurde mit einem Ruck wach. Sein Herz hämmerte. Sein Bein brannte vor Schmerz.
Maggie hatte sich über ihn gebeugt. Ihre Augen waren sorgenvoll – braune Augen, so tief und dunkel, dass es schwer war, die Pupille von der Iris zu unterscheiden.
Sie legte ihm eine Hand an die Wange. »Wach auf«, wiederholte sie. »Du hast geträumt.«
»Ja, ich …« Er kämpfte sich durch die letzten Bilder seines Alptraums und kam mühsam hoch. »Tut mir leid.«
»Du bist ja vollkommen erschöpft. Komm ins Bett.«
»Ja.« Er zog die Füße an und versuchte aufzustehen. Verflucht. »Ich … äh …«
Er rieb sich mit der Hand übers Gesicht, als könnte er das Bild des sterbenden Danny wegwischen. Von Maggie, die blutend und nackt am Feuer lag. »Wie lange war ich weg?«
»Offenbar nicht lange genug.« Sie runzelte
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