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Wellentraum

Wellentraum

Titel: Wellentraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Kantra
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wie ein Robbenbulle einer neuen Kuh gegenüber. Sie hätte sich darüber amüsieren können. Ärgern. Aber es lag etwas Tröstliches in dieser leichten Berührung, etwas Beruhigendes in der Art, wie er ihre Schritte lenkte, den Wagenschlag für sie öffnete und ihre Einkäufe hinten verstaute.
    Er schob sich auf den Sitz neben ihr. Sein großes, rechteckiges Knie ragte in ihren Fußraum hinein. Seine Hände mit den langen Fingern lagen stark und sanft auf dem Lenkrad.
    Lust kroch ihre Nervenbahnen entlang und erleichterte den Druck in ihrer Brust.
    Schweigend fuhren sie zu seinem Zuhause.
    Caleb lebte auf der Ostseite – der Seeseite – der Insel, in einem soliden Häuschen, das sich unter die Bäume duckte und zugleich abgeschieden wie auch perfekt an die Umgebung angepasst war. Kiefernnadeln verströmten ihren Duft unter ihren Füßen, während er zur Haustür voranging.
    Im Inneren standen ein großer Sessel und eine größere Couch vor einem schwarzen Flachbildschirm. Keine Kissen. Keine Pflanzen. Nur dunkle, warme Farben, die einen Kontrast zu dem hellen, glatten Holz bildeten, und ein Stapel Zeitschriften neben dem Sessel.
    Er zeigte ihr sein Schlafzimmer. Es war aufgeräumt und ein wenig kahl. Margred stand mitten im Raum, und ihr Blick wanderte von dem ordentlich gemachten Bett zum Fenster. Durch die geöffneten hölzernen Fensterläden, über die Wipfel der Bäume hinweg konnte sie die See daliegen sehen, lockend wie ein Geheimnis im letzten Abendlicht.
    Sehnsucht raubte ihr den Atem.
    »Vom Bett aus kann man den Sonnenaufgang über dem Meer sehen«, sagte Caleb hinter ihr. »Nachdem ich aus dem Irak wieder da war, habe ich …«
    Er verstummte. Es berührte sie. »Nachdem du aus dem Irak wieder da warst, hast du was?«
    »Nichts.« Er legte ihre Tüten auf dem Bett ab und nickte zu einer offenen Tür hinüber. »Zum Bad geht’s da lang. Du kannst duschen, dich umziehen, was auch immer. Ich bin im Wohnzimmer, wenn du mich brauchst.«
    Sie begriff, dass er ihr Zeit zum Ausruhen geben wollte. Sie wusste seine Rücksicht zu schätzen.
    »Also …« Er hakte die Daumen in die Hosentaschen ein. »Fühl dich wie zu Hause.« Dann ließ er sie allein.
    Sie sah sich in dem sauberen Zimmer um. Die polierten Schuhe standen ordentlich aufgereiht neben einem Stuhl, das Kleingeld lag nach Münzen geordnet auf der Kommode. Es ließ sich ganz und gar nicht mit der elsternhaften Sammelleidenschaft von Luxusgütern auf Caer Subai vergleichen.
    Von plötzlichem Heimweh überwältigt, sank sie auf die Matratze nieder. Was machte sie hier? Was tat sie nur?
    »Fühl dich wie zu Hause«,
hatte Caleb gesagt.
    Ihr Blick fiel auf die Einkaufstüten. Also gut. Das konnte sie tun. Sie öffnete die nächstliegende und wühlte darin nach Shampoo und Cremes.
    Etwas schimmerte ganz unten in der Tüte. Sie streckte die Hand danach aus und griff zu.
    Eine Kette.
    Ihr Herzschlag beschleunigte sich albernerweise, als sie sie herauszog. Es war ein einfaches schwarzes Band mit winzigen Korallenstückchen und Seeglas zwischen zwei runden Silberperlen. Sie hatte sie im Laden bewundert. In der Mitte hing wie ein Amulett eine Schnecke. Eine schottische Helmschnecke.
    Ihre Finger strichen darüber.
    Caleb musste gesehen haben … er musste gewusst haben … er musste sie für sie gekauft haben.
    Lange Zeit saß sie so da, die Kette in der Hand und den Blick auf die See jenseits des Fensters gerichtet. Ihr Herz fühlte sich seltsam voll an. Schwer.
    Sie war … gerührt, beschloss sie. Er hatte sie mit seinem Geschenk berührt.
    »Das bedeutet, dass du mit mir schläfst, richtig?«
    »O ja.«
    Nicht aus Pflichtgefühl, sondern weil sie es wollte.
    Zufrieden mit ihrer Entscheidung, legte sie sich die Kette um den Hals und nestelte an dem Verschluss.
    Sie musste ein wenig schielen, um die Schnecke sehen zu können. Hübsch, dachte sie. Ihr Blut begann leise zu summen. Lächelnd und voller Vorfreude öffnete sie die Tür.
    Um Caleb schlafend auf der Couch vorzufinden.
    Oh.
Nun ja.
    Ihr Herz setzte vor Enttäuschung einen Schlag lang aus, und sie schürzte die Lippen. Sie konnte ihn aufwecken. Sie würde ihn aufwecken.
    Gleich.
    Er sah … nicht friedlich aus, wie er so dalag. Noch im Schlaf grub die Anspannung Furchen zwischen seine Augenbrauen und presste seinen Mund zusammen. Die kurzen, dichten Wimpern beschirmten seine Augen. Sein Bart lauerte gleich unter der Haut. Die Schwere in ihr fiel von ihrem Herzen in ihren Schoß. Sie wollte mit

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