Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wellentraum

Wellentraum

Titel: Wellentraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Kantra
Vom Netzwerk:
auf einer Schachtel Kondome. »Kaufen Sie die auch?«
    Manchmal konnte einem die Gemeinschaft aber auch ganz schön auf die Nerven gehen.
    »Ja, Ma’am. Ich bin zu alt, um sie wie früher mitgehen zu lassen.«
    »Sie? Niemals«, erwiderte Jane gelassen. »Ist sie das? Das Mädchen, das überfallen wurde?«
    Caleb folgte ihrem Blick zu Maggie, die zwischen Schlüsselanhängern mit »Maine«-Aufschrift, Schnapsgläsern und eingeschweißten Muschelschalen aus Florida umherschlenderte.
    Sie wirkte total fehl am Platze mit ihrem vollkommenen Körper, der vom blauen Kleid seiner Schwester nur unvollkommen verhüllt wurde. Ihre blasse Schönheit leuchtete durch den düsteren Laden wie der Mond durch die Wolken.
    »Sie heißt Maggie«, antwortete Caleb.
    »Armes Ding«, erwiderte Jane. »Sie ist nicht von hier, oder?«
    Maggie machte sich an einem Gestell mit billigen Muschelketten zu schaffen – von der Art, wie sie sich Teenager im Urlaub kaufen. Ihr Blick wirkte verloren.
    Es zerriss ihm das Herz.
    »Ich nehme noch eine davon«, sagte er. »Eine Kette.«
    »Welche?«
    »Das ist egal.« Welche auch immer diesen schwermütigen Ausdruck in Maggies Augen, den Kummer aus ihrem Herzen vertreiben konnte. »Irgendeine. Setzen Sie es auf die Rechnung.«
    Er bezahlte Kleidung, Kondome und Kette, bevor er zu Maggie ging, die vor einem Drahtkäfig mit Einsiedlerkrebsen in knallbunten Behältern stehen geblieben war.
    Er berührte sie sanft am Arm. »Hast du etwas gefunden, das du haben möchtest?«
    Sie drehte sich zu ihm um. Ihr Gesichtsausdruck wirkte entschlossen, die Lippen zitterten. »Nein. Warum sind sie hier? Warum sind sie gefangen?«
    »Sie stehen zum Verkauf. Für die Touristen.«
    »Sie essen sie nicht?«
    »Nein. Sie sind … Haustiere, könnte man wohl sagen. Souvenirs.«
    »Das ist schrecklich. Sie brauchen Wasser.«
    Sie klang wirklich aufgebracht.
    »Äh … das sind Landkrabben«, entgegnete Caleb.
    »Ich weiß, was sie sind.« Ihre Stimme wurde lauter. Jane sah zu ihnen herüber. »Sie sterben. Du musst dafür sorgen, dass das aufhört.«
    »Ja.«
Mist.
»Die Sache ist nur die: Der Laden bricht kein Gesetz.«
    »Sie gehören in die Freiheit.«
    Eigentlich war er auch ihrer Meinung. Er betrachtete die zuckenden Beine und die kleinen Knopfaugen der unheimlichen Krabbeltiere im Käfig. Aber … »Selbst wenn ich sie alle kaufen und freilassen würde, würden sie sterben. Das Klima ist hier zu rauh für sie.«
    Maggies waidwunder Blick begegnete seinem. Sie biss sich auf die Lippen. »Ja. Ja, du hast recht. Das habe ich nicht bedacht.«
    »Tut mir leid«, erwiderte er, obwohl er keine Ahnung hatte, wofür er sich entschuldigte. »Was kann ich tun?«
    »Es wäre … Es ginge ihnen besser, wenn sie Wasser hätten. Einen Schwamm. Kannst du dafür sorgen? Kannst du ihnen Wasser in einem Schwamm geben?«
    »Ja, sicher.«
    In dem Gefühl, ein Narr zu sein, ging er zu Jane, um diese davon zu überzeugen, dass sie den Krebsen Wasser geben musste.
     
    Margred sah ihm nach, wie er breitschultrig und vernünftig davonging.
    Er hatte recht. Sie wusste, dass er recht hatte.
    Es spielte keine Rolle. Der Gestank von Unrat und Verwesung drang vom Käfig der Landkrabben herüber. Sie saßen in der Falle. Sie starben.
    Auch sie saß in der Falle und starb.
    Sie konnte es nicht ertragen. Während Caleb mit der Frau hinter der Theke sprach, eilte Margred aus dem Laden. Sie musste ins Freie, die Luft auf ihrem Gesicht spüren und den Wind, der von der See herwehte, riechen.
    Wasser. Das Wasser fehlte ihr.
    Den Himmel über ihrem Kopf durchzogen rosa Streifen. Am Fuß des Hügels, jenseits des ungeordneten Haufens Boote im Hafen, rollte grau und einladend der Ozean.
    Druck baute sich in ihren Lungen auf. Sie stand auf dem Bürgersteig und rang um Atem.
    »Maggie.« Caleb sprach sie von hinten an. Seine tiefe Stimme war geduldig und freundlich.
    Er konnte ihr genauso wenig helfen wie den armen, todgeweihten Krabben.
    Sie drehte sich zu ihm um.
    Seine grünen Augen waren wachsam. »Können wir jetzt nach Hause gehen?«
    Sie konnte nicht nach Hause gehen. Nicht ohne ihr Fell. Sie saß in der Fremde fest, und die fortwährende Vorsicht, die sie walten lassen musste, nur um zu überleben, zerrte ebenso an ihren Nerven wie das ständige Laufen auf ihren Füßen.
    Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Sie nickte.
    »Hier entlang.«
    Er ging neben ihr auf dem Bürgersteig, eine Hand an ihrer Taille, ebenso besitzergreifend und beschützerisch

Weitere Kostenlose Bücher